Das heutige Stadtwappen Helas stellt einen gelben stehenden Schlüssel, rechts und links flankiert von zwei gelben Sternen auf blauem Grund dar. Auf früheren Darstellungen wurden die Sterne silberfarben und der Grund hellblau dargestellt. Es ist das einzige Stadtwappen auf der Halbinsel Hela, welches ein sehr hohes Alter besitzt und auf die vom Rat der Bürgerschaft Helas benutzten mittelalterlichen Siegel zurückzuführen ist.
Stadtwappen Hela[1]
Es wurden in der Vergangenheit viele Dokumente mit Siegelabdrücken und auch die zwei dazu gehörenden Siegelstempel gefunden. Bei beiden handelt es sich um Rundsiegel, die vom Rat der Stadt Hela benutzt wurden.
Das große Helaer Ratssiegel
Zeichnung von F.A. Voßberg[2]
Das große Helaer Ratssiegel stellt den Apostel Petrus dar, wie er in seiner Rechten den Schlüssel zum Paradies und in seiner Linken eine Krone hält. Flankiert wird Petrus von zwei Ranken, die den Garten Eden symbolisieren. Eingefaßt wird diese Szene von einem gotischen Vierpaß-Ornament und umlaufender Schrift mit einem Kreuz. Zweifellos wurde damals auf das größte und wichtigste Bauwerk der Stadt, die Petrikirche, Bezug genommen, deren Schutzpatron Petrus ist. Apostel Petrus wird nach der christlichen Ikonografie mit einem Schlüssel als Attribut gekennzeichnet. Der Schlüssel ist auch ein Symbol für den Papst als den Nachfolger Petri und Stellvertreter Gottes auf Erden. Die Krone in seiner Hand ist eine christliche Märtyrerkrone, da Petrus ja in Rom den Märtyrertod fand. Der gotische Vierpaß ist ein Symbol für die Einheit der vier Evangelien, in denen jeweils eine Eigenschaft Jesu hervorgehoben wird: Menschlichkeit, königliche Machtfülle, Priestertum und göttliche Natur. Die Umschrift auf dem Siegel lautet: „ +S CONSULIS TERRA HELENSIS“ (Siegel des Rates des Landes Hela, wobei „S“ die damals übliche Abkürzung für lat. „Sigillum“ ist, was „Siegel“ bedeutet). Die Schrift ist aus gotischen Majuskeln gebildet, was auf eine Herstellung vor Mitte des 14. Jahrhunderts schließen läßt.[3] Erstmals ist dessen Abdruck auf einem Dokument von 1414 zu sehen.
Siegelabdruck gestiftet von Wilhelm Mannhardt im Jahr 1854 (Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg. Foto: A. Kradisch)
Zum Zeitpunkt der Herstellung dieses Siegels mußte die Peterskirche bereits geweiht gewesen sein. Die Bauzeit für eine Kirche ist schwer zu schätzen, ist sie doch von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, wie Witterung und Naturereignisse, Epidemien, Erreichbarkeit des Ortes und den Finanzmitteln der Stifter. Die Herstellung des größeren Doberaner Münster hat 74 Jahre gedauert (von 1294 bis 1368), so daß für die Petrikirche in Hela vielleicht 50 Jahre angenommen werden können. Die Backsteingotik breitete sich in Norddeutschland und an der Ostsee ab Mitte des 12. Jahrhunderts aus, so daß als Baubeginn für die Peterskirche auf Hela der Zeitraum zwischen 1260-1300 als durchaus plausibel erscheint. Folglich müßte auch das Alter des großen Ratssiegels in diesen Zeitraum fallen.
Das Sekretsiegel
Sekretsiegel Stadt Hela[4]
Das zweite, seltener vorgefundene Siegel, auch als „Sekretsiegel“ bezeichnet, ist ebenfalls kreisrund und wurde Grundlage für das spätere Wappen der Stadt Hela. Es erscheint erstmals auf einem Dokument aus dem Jahre 1500 und stellt in der Mitte einen stehenden Schlüssel dar, der zu beiden Seiten jeweils einen sechsstrahligen Stern hat. Der Schlüssel ist ein Symbol für den Schutzpatron Apostel Petrus und für die Petrikirche. Bei den sechsstrahligen Sternen handelt es sich jeweils um einen so genannten „Stella Maris“, einen „Meerstern“. Dieses Sternsymbol begegnet uns in der Heraldik des öfteren und ist ein Symbol für die Jungfrau Maria. Beispielsweise sind solche Sterne auch auf dem Stadtwappen von Hamburg zu sehen, auf dem der Mariendom dargestellt ist und durch die zwei Sterne als der Maria geweiht gekennzeichnet wird. „Stella Maris“ ist eine Anrufung Marias unter der sie Schutzpatronin der Seeleute ist. Es symbolisiert den rettenden Stern, der Seefahrern die Richtung weist, wie auch allen Christen auf dem „Meer des Lebens“. Die Stellae Mari könnten auch auf eine Marienverehrung in Hela hinweisen, da das wunderkräftige Bildnis Marias, welches heute in Schwarzau steht, ursprünglich in Hela beheimatet war. Auch wäre ein Bezug auf ein Seezeichen vorstellbar. Weshalb hier zwei Sterne dargestellt sind, läßt sich nur erahnen, vielleicht bloß aus Symmetriegründen. Nachdem Danzig 1454 in den Besitz Helas gelangte, legte der Danziger Magistrat fest, daß Hela einen Vogt und 12 Ratsleute erhaltenen soll – wahrscheinlich sechs aus Alt- und sechs aus Neu-Hela. Auch dieses Siegel muß vor 1482 entstanden sein, da die Petrikirche vor diesem Jahr in St. Peter und Paul umbenannt wurde, und ein Symbol für den Apostel Paulus auf dem Siegel fehlt (Paulus wurde oft mit den Attributen Buch und Schwert dargestellt). In diesem einfachen Siegel sind folglich Alt- und Neu-Hela, die Liebfrauen- und die Peterskirche, die Schutzpatrone Maria und Petrus symbolisch dargestellt, so daß die Bürger beider Städte sich darauf wiederfinden.
Ein mittelalterlicher Brakteat
Brakteat (vermutlich Hela, 13./14.Jhd.)[5]
Friedrich August Voßberg mochte in seinem 1843 erschienen Buch über die preußischen Münzen und Siegel gar nicht glauben, daß dieser Brakteat von der Stadt Hela stammt. Brakteaten sind mittelalterliche Pfennige, die aus dünnem Blech hergestellt und nur einseitig geprägt wurden. Es gibt, wie Voßberg richtigerweise angibt, keinen Hinweis darauf, daß die Stadt Hela einst Münzrecht besaß. Dennoch gibt es hin und wieder Beispiele für mittelalterliche Münzen, die an Orten geprägt wurden, die kein Münzrecht besaßen. Da das späte 13. und das 14. Jahrhundert die Blütezeit der Stadt Hela waren und Hela sich damals zu einem Wallfahrtsort zu entwickeln begann, stammt dieser Brakteat vermutlich von Hela und wurde dort geprägt.
Bürgerstolz und Religion
Die beiden helaer Ratssiegel sind ein zeittypischer Ausdruck des sich im Mittelalter entwickelnden und von den adligen Herrschern emanzipierenden städtischen Bürgertums. Die Kaufleute und Handwerker in Hela waren vermutlich zu einem Großteil lübischer Herkunft. Die Ratssiegel stehen einerseits für Bürgerstolz und einen rechtlichen Status, den man sich erkämpfen und bewahren mußte, welcher der mit lübischem Recht bewidmeten Stadt vom Hochmeister des Deutschen Ordens 1378 bestätigt wurde. Andererseits zeigen sie auch, wie untrennbar der mittelalterliche Mensch in seinem Weltbild und seinen alltäglichen Handlungen mit der Religion verbunden war. Die Kirchengebäude wurden von den Bürgern gestiftet. Sie wurden nicht allein für religiöse Kulte benutzt, sie waren darüber hinaus Versammlungsort der in Gilden organisierten Kaufleute, Aufbewahrungsort für Verträge, gemeinsam zu verwaltende Kassen und Stapelplatz für Waren. Die Kirchengebäude wurden ebenfalls für Versammlungen des Stadtrats benutzt. Auch nach dem Bau eines Rathauses kam der Stadtrat vor jeder Versammlung in der Kirche zum Gottesdienst zusammen. Wie auf den Ratssiegeln ausgedrückt bildeten Bürger und Kirche eine untrennbare Einheit.
G. Hallmann, 15.05.2014 / aktualisiert 10.10.2020