Die nachfolgende "Chronik von Hela" wurde von dem letzten Vogt von Hela und langjährigen Dorfvorsteher Martin Struck angefertigt. Die Originalschrift beinhaltet noch einen umfangreichen Anhang mit einzelnen Beschreibungen und Auszügen aus dem Verwaltungsleben, der hier der besseren Übersicht halber weggelassen wurde. Diese Chronik zeigt sowohl den damaligen Kenntnisstand über geologische Entwicklung und Besiedlung der Insel, als auch die Innenansicht auf Hela und dessen Bewohner in einer Zeit, in der vieles im Umbruch ist. Am Vorabend des Ersten Weltkrieges wird in Hela ein Hafen gebaut, der endlich den Fischern die Hochseefischerei ermöglicht. Ausserdem wird die einmalige Lage der Halbinsel vom Tourismus entdeckt. Ein Kurhaus wird gebaut, viele Einheimische beherbergen und bewirten jetzt zunehmend die zahlreichen Wochenend- und Sommergäste. Um das zu bewältigen, werden zusätzliche Arbeitskräfte "vom Festland" benötigt.
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Beschreibung einer Übersicht der Chronik von Hela,
Beschaffenheit, Leute und Leben
Von Gemeindevorsteher M. Struck gefertigt
1874 – 1890
1905 – 1910
Mit Gott!
In Jesu Christi Namen ist alle Zeit mein Anfang, Amen. Nur Gott und niemand mehr sei Lobpreis, Dank und Ehr. Und müssen wir gleich alle aus dieser Welt hinweg, so gehen wir doch nicht aus Gottes allgegenwärtigem Schoße verloren. Unsere Seele wird dann in einen besseren Himmelsstriche verpflanzt, wo jede Knospe, welche die rauhe Luft dieses Erdballs nicht aufschließen läßt, sich öffnet und sich in einem Kranz von Blüten auftut. Im Geist sah ich zum Himmelsland die Leiter ragen, die mächtig stark der Seele Sehnsucht hält. Zu Gott und Himmel wird den Geist sie tragen, wenn über Zeit und Raum der Vorhang fällt. |
Inhaltsverzeichnis
Halbinsel Hela: Einleitung
Als Gemeindevorsteher von Hela beabsichtige ich eine kurze Beschreibung über die Zustände der Vergangenheit, die Leute und Lebensweise von Hela aufzustellen. Dazu habe ich diejenigen Stunden gewidmet, die mir meine Berufspflicht zur Erholung freiließen, indem ich dachte, daß diese mir so sparsam zugemessenen Stunden ich wohl nicht leicht mit einer nützlicheren Beschäftigung ausfüllen könnte. So habe ich nun aus mehreren chronischen Schriften und Berichten Nachstehendes zusammengestellt.
Hela, den 1.3.1880
M. Struck
Lage und Umriß der Halbinsel Hela
Unter dem 56. Längengrade von Greenwich und unter 36° 50´ nördlicher Breite erheben sich die Leuchttürme von Rixhöft. Eine Meile von Rixhöft im Südosten zweigt sich die Halbinsel Hela vom Festlande ab und zieht sich mit ganz gelinder Krümmung in einer Länge von fünf Meilen in der Richtung nach Südost weiter. Die Halbinsel Hela steht mit dem Festlande durch eine schmale, kaum einen halben Kilometer breiten Stelle in Verbindung und behält diese Stellung der geringen Breite über zwei und eine halbe Meile bei. Ihre dünnste Stelle befindet sich etwa eine halbe Meile von ihrem Beginn. Bis etwa drei Meilen von ihrem Beginn entfernt schwankt ihre Breite in der Längenausdehnung zwischen 200 und 500 Meter, von da ab verbreitert sich die Halbinsel zu beinahe zwei Kilometer Breite und nimmt dann allmählich zu an Breite, bis sie eine solche von fast einer halben Meile erreicht, was viereinhalb Meilen von ihrer Wurzel der Fall ist. Alsdann läuft sie nach Süden biegend in einer Spitze aus, die Putziger Wiek und die Danziger Bucht bildend. Nach der Beschreibung und wie es die alten Karten lehren, ist dieser Umriß der Halbinsel, wie sich derselbe dieser Zeit darstellt, fast genau derselbe wie vor anderthalb Jahrhunderten, und ich glaube annehmen zu dürfen, daß seit fünf und einem halben Jahrhundert der Umriß sich nicht geändert hat. Kleine An- und Abspülungen finden natürlich auch hier, sowie an jeder Meeresküste statt. Am großen Strande, der großen See, wie von den Fischern in Hela es genannt wird, wirft das Meer bisweilen parallele Sandbänke auf, welche nach Ausfüllung der zwischen Strand und Sandbank befindlichen Lagune in der Tat zur Verbreiterung des Strandes und der Halbinsel beitragen. Dagegen sind an dem kleinen Strande nach der Putziger Wiek an mehreren Stellen entschiedene Abspülungen zu beobachten. Dort nämlich, etwa eine halbe Meile von der Spitze entfernt, dem Haken von Alt-Hela, dort strömt der fortwährende Nord- und Südstrom und benagt denselben. Weiterhin am Strande der Putziger Wiek deutet der sehr schmale Uferstrich zwischen der Wasserlinie und den steil aufsteigenden Dünen, sowie die zahlreichen unterspülten und umgesunkenen Baumstämme, die vielfach mit der Krone im Wasser liegen und dem Wanderer den Weg versperren, eine bedeutende Abspülung an. Dann auf etwa einer Meile Länge finden solche Abspülungen nicht statt. Bei der Ortschaft Danziger Heisternest findet solche Abspülung wieder statt. Dort sind im Jahre 1840 zwei Häuser weggespült worden. Im ganzen liegen auf der Halbinsel fünf Ortschaften. Mit einigem Weideterrain in die Halbinsel hinüberreichend liegt Großendorf, dann folgt in einer Meile Entfernung Ceynowa und fast wieder eine Meile weiter Kußfeld und wieder eine Meile weiter ist Putziger Heisternest und um anderthalb Kilometer weiter Danziger Heisternest. Endlich einachtel Meile von der Spitze entfernt liegt das heutige Hela. Von Neufahrwasser liegt es nördlich ein wenig gegen Osten hin. Die Luftlinie von Neufahrwasser nach Hela hin hat eine Länge von dreiundeinviertel Meile, die zwischen dieser Luftlinie und dem Festlande gelegene Bucht hat eine Größe von neuneinhalb Quadratmeilen, welche den Namen nach der Stadt Putzig führt: Putziger Wiek.
Oberflächengestaltung
Die eigentliche Bodengestaltung der Halbinsel Hela ist nur sehr wenig über den Meeresspiegel erhoben. Einzelne Flächen, wie z.B. die Stelle, auf welcher Danziger Heisternest steht, sind sehr niedrig, im allgemeinen beträgt die Höhe der Halbinsel über der Meeresfläche vier bis fünf Fuß. Natürliche Erhebungen fehlen zwischen Großendorf und Ceynowa ganz, erst hinter Ceynowa bis Kußfeld beginnen Dünenberge von 30 bis 40 Fuß Höhe, die von hier an die Halbinsel in ihrer ganzen Längenausdehnung begleiten. Der Mangel an Dünen auf der ersten Hälfte der Halbinsel ist wiederholt Anlaß zu Durchbrüchen von den stürmischen Wogen der großen See über die Halbinsel hinweg in die Putziger Wiek gewesen. So finden wir auf einer Karte des 17. Jahrhunderts einen sehr erheblichen Durchbruch verzeichnet dicht bei Großendorf, so daß damals in der Tat die Halbinsel zu einer Insel geworden ward. Eine andere alte Karte aus dem 18. Jahrhundert verzeichnet einen Durchbruch an einer Stelle, wo jetzt Dünen von 20 bis 30 Fuß Höhe sich erheben, dicht bei Kußfeld. Dieser Durchbruch muß sehr erheblich gewesen sein, denn auf der Karte steht bemerkt:
„Der Durchbruch ist zehn bis zwölf Ruthen breit, zwei bis drei Schuh tief. Das Land ist aus einer in die andere See fünfunddreißig Ruthen breit.“
Sehr arg von Durchbrüchen heimgesucht war die Strecke zwischen Großendorf und Ceynowa in dem ersten Viertel des 19. Jahrhunderts. Damals war der bezeichnete Teil der Halbinsel an mehreren Stellen dermaßen durchbrochen, daß bei jedem hohen Seegang die Ostsee sich mit der Putziger Wiek vereinigte. Daher wurde seit dem Jahre 1825 an dieser dünenarmen Küste der Dünenbau eingeleitet. Man baute nämlich parallel zur Küste einen Zaun von Weidenruten am großen Strande, so daß sich von dem vom Sturm getriebenen trockenen Sand ein Sandwall bildete. Immer neue Sandmengen führte der Wind herbei, so daß allmählich der Weidenzaun verschwand unter dem Kamm der Düne, und der immerzu vom Wind getriebene Sand rückte den Fuß und Kamm der Düne weiter Landeinwärts, daß die Düne an Breite und Höhe immer mehr anwuchs.
Im Jahre 1855 brach die See unweit des Dorfes Ceynowa durch die dreißigjährige Düne wieder durch und vereinigte ihre Wogen mit denen der Wiek. Zur Befestigung der jungen Düne wird dieselbe mit Strandhalm und Strandhafer bepflanzt, zu ihrer Wartung und Pflege sind besondere Dünenwärter bestimmt. Noch jetzt sind die künstlichen Dünen stellenweise sehr niedrig, die Breite der künstlichen Düne beträgt jetzt 30 bis 60 Fuß über dem Meeresspiegel, aber auch in einzelnen Kuppen zum Beispiel: zwischen Ceynowa und Kußfeld ist der Ortelsberg 45 Fuß hoch, hinter Kußfeld der Lübecksberg 60 Fuß hoch, hinter welchem alsbald der Wald beginnt, der sich dann bis Heisternest hinzieht. Die Oberfläche der Düne besteht fast aus Sand, der stellenweise mit schwacher Grasnarbe, Heidekraut und vereinzelten Kiefern bestanden ist. Etwa vor dem Lübecksberg befindet sich eine natürliche innere und äußere Dünenreihe. Gerade auf der letzten halben Meile von Heisternest tritt dieselbe sehr klar hervor, da sich ein Stück Laubwald mit stellenweise sumpfigem Boden zwischen die Dünenreihen einschiebt. Dieser Wald reicht bis zum Dorf Putziger Heisternest. An dieser Stelle, wo sich die Insel bis zu eineinhalb Kilometer Breite entwickelt, hat die Außendüne eine Höhe von 14 Fuß erreicht und eine ziemliche Breite. Die Innendüne verschwindet hier gänzlich und hat einem grasbewachsenen Vorlande Platz gemacht. Ausspülungen finden hier noch immer statt, wie schon bemerkt bei Danziger Heisternest.
Von alten Leuten in Danziger Heisternest, geboren in der Zeit des Jahres 1770, ist behauptet, daß vor Danziger Heisternest Wiesenland, wo jetzt nur See ist, von 200 Meter Breite gelegen hat und zwischen Kußfeld und Ceynowa eine Meile vom Lande trockene Wiesen gelegen haben. So an der Nordseite von Heisternest am großen Strande befinden sich Torflagen, die bis 700 Meter in die See sich einschieben und beim Fischen gefunden worden sind und wo gewiß vor vielen Jahren Weideland gewesen und durch Ausspülung und Überschwemmung versunken ist. Von Heisternest aus beginnt die Halbinsel sich stetig zu verbreitern und das Plateau langsam zu erheben und wird eingeschlossen von einer Außendüne nach Nordost zu, deren Kuppen stellenweise eine Höhe von 50-60 Fuß erreichen und nach Südwest von der inneren Düne, die nach oben aber sehr niedrig ist. Die Platte ist mit Kiefernwald bezogen, in welchem sich auch kleine Laubsträucher mischen, die Oberfläche dieser Platte zeigt trotz des Waldbodens auch deutlich Dünencharakter und ist durchaus uneben mit Anhöhen bis 30 und 40 Fuß.
Die Dünenkuppen an der großen Düne haben Bergnamen: Johannesbrunnen, Schwedenberg, Russenberg, Kreuzzugsberg, usw. Auch die Bergkuppen an der Innendüne sind mit Namen verzeichnet wie Schwarzenberg, Gabelfichte, Erdbeerberg, Eiche, Große Kuh, Lanzenburg, usw. Die Anspülungen der See sind an der Innenseite vorherrschend Sand, bei Hela sehr großer Sand mit vielen Kieseln, am Außenstrand kommen Kiesel auch vor, meistens flache Steinchen, graue, blaue und rote feinkörnige Granite, auch einzelne weißliche und gelbliche Quarze, Knollen von Gneis, Platten von weißem Glimmerschiefer, Porphyre und Sandsteine, ferner auch sehr viele versteinerungsreiche Tone.
Bau und Entwicklung
Bei näherer Betrachtung des merkwürdigen Gebildes, als welches sich jetzt die Halbinsel darstellt, drängt sich alsbald die Frage auf, wie dasselbe entstanden sein mag und welche Naturkräfte tätig gewesen sind, um eine so eigenartige Bildung hervorzubringen. Das wenige, was von dem geologischen Bau derselben zu sagen ist, muß in Betracht gezogen werden. Bis jetzt sind bei Nachgrabungen keine anderen als alluviale Schichten auf der Halbinsel zu Tage getreten, dieselben Schichten, welche auch sonst auf der Insel zu Tage treten und sichtbar werden. Südöstlich von Heisternest findet man ältere Vegetationsschichten, welche Schuhmann auf der Kurischen und Frischen Nehrung Meilenweit verfolgt hat und welche in langen Strecken deutlich zu Tage treten. Dieser Sand, der zuoberst tief dunkel, fast schwarz ist, um nach unten ins Braune und ein lichtes Gelb überzugehen, zeigt die Reste eines Urwaldes, der einst die ganze baltische Südküste umsäumte. Bei mikroskopischen Untersuchungen des helenser braunen Sandes fand Schuhmann zwar viele Pflanzenreste, aber keine Spur von den des Nadelholzes eigentümlichen Düpfselzellen, auch keine Blütenstaubkörnchen und erkannte daher in dem Walde einen Laubwald. Nach dessen rätselhaftem Untergange wurde die humose Schicht mit neuem Dünensande überweht, auf dem ein Nadelwald erwuchs, der ebenfalls schon vor langer Zeit untergegangen ist. Diese Vegetationsschicht sieht oben wie Gartenerde aus und geht nach unten hin ins Braungraue über. Dieser blaue Sand hat nur einen Fuß Mächtigkeit. Auf ihm ruht der gewöhnliche Dünensand, resp. der durch den jetzigen Nadelwald hervorgebrachte dürftige Humusboden. Die Helenser kennen jene braune Schicht auch recht wohl und nennen sie Fuchsgrund. Aus diesem Wenigen muß man versuchen, die Entstehung der Halbinsel zu deuten.
Zunächst fällt eine Ähnlichkeit zwischen der langgestreckten Halbinsel Hela und den Nehrungen, der Frischen und Kurischen, sofort ins Auge, über die Entstehung der drei Landzungen herrscht noch keine gewisse Klarheit, auf welche Weise man sich die Entstehung der Nehrungen denken kann. Man wird sich aber recht wohl für berechtigt halten können, die Bildung Helas auf eine selbständige Weise zu erklären, wenn man die scheinbare Ähnlichkeit, welche zwischen dieser Halbinsel und den Nehrungen zu herrschen scheint, etwas kritischer ins Auge faßt. Während sich die Nehrungen nach dem Festland zu konvexen Bögen öffnen, befindet sich Helas konvexe Seite dem offenen Meere zugekehrt. Während die Nehrungen in ihrer ganzen Ausdehnung fast die gleiche Breite haben, zeigt Hela eine auffallende kolbenförmige Verbreiterung an seinem Südende. Während sich die Nehrungen von einem Festlande bis zum anderen Festlande in Verbindung setzen, erstreckt sich Hela in die See hinaus, und während zwischen den Nehrungen und dem Festlande flache Haffe liegen, zeigt die durch die Halbinsel abgeschnittene Bucht nur in ihrem innersten Winkel haffähnliche Zustände und hat in ihrem übrigen Teil den Charakter der offenen See. Wird irgendein Meeresteil in der Nähe der Küste durch eine vorliegende Insel oder Halbinsel gegen eine an der Küste vorüberziehende Meeresströmung geschützt, so vermögen die in diesen relativ ruhigen Meeresteil mündenden Flüsse ihre schwebenden Bestandteile weiter in das Meer hinauszutragen und zwar bis dahin, wo die Macht der Meeresströmung zur Geltung gelangt. Hier lagern sich infolgedessen die vom Flusse ins Meer hinausgeschwemmten Schuttmassen ab.
Denkt man sich nun die Danziger Bucht ohne die Halbinsel Hela. Wir haben alsdann einen Meeresteil in der Nähe der Küste, welcher in seiner westlichen Hälfte durch die Festlandsenke Rixhöft geschützt ist gegen die an der deutschen baltischen Küste in der Richtung von West nach Ost vorüberziehende Meeresströmung. In diesen ruhigen Meeresteil mündete bei Neufahrwasser ein mächtiger Weichselarm von 1840. Diese schwebenden Bestandteile wurden von dem damals in ungeteilter Fülle bei Neufahrwasser mündenden Weichselarm weiter in das Meer hinausgegetragen und zwar bis dahin, wo die Meeresströmung ungehemmt zur Geltung gelangt. Dies dürfte, wie uns der Blick auf die Karte belehrt, an der Stelle etwa der Fall gewesen sein, wo heute der dicke, kolbenförmige Teil der Halbinsel Hela liegt. Hier also setzte sich Schicht auf Schicht ab, immer höher wurde der unter Wasser sich bildende Boden im Laufe der Jahrhunderte und Jahrtausende, bis er endlich die Meeresoberfläche erreichte und eine Insel an seiner Stelle aus dem Meer emporstieg.
Wenn man nun seine Aufmerksamkeit einer anderen Naturerscheinung zuwendet und auf einer Karte die Tiefenangabe des durch die Halbinsel und das Festland gebildeten Meerbusens vergleicht, so fällt sofort dessen Bodengestaltung ins Auge. Von einer näher an Kußfeld als an Heisternest gelegenen Stelle bis rüber nach Rewa zieht sich in einer Länge von fast zwei Meilen eine Sandbank. Dieselbe ragt zum Teil ganz über das Wasser empor, manche Stellen von einem Kilometer fallen ganz trocken, wenn eine Zeit lang östliche Winde wehen und das Wasser aus der Bucht hinausdrängen. Die Bank hat in ihrer ganzen Länge vier Fuß Wassertiefe, die meisten Stellen auch nur zwei Fuß. Abgesehen von der ganz schmalen Fahrrinne bei Rewa, welche jetzt bis auf zehn bis zwölf Fuß ausgebaggert ist, beträgt die Breite der Sandbank durchschnittlich 100 Meter. Sie besteht aus weißem Sand, wenig mit Tang bewachsen. Betrachten wir nun die Tiefenverhältnisse beider Teile der Bucht, welche durch diese Sandbank gebildet werden, so ist östlich von der Sandbank der Meeresboden rasch bis zu 30, dann bis zu 60 Fuß tief. Ganz anders ist die Bildung der westwärts eingeschlossenen Bucht. Hier beträgt die tiefste Stelle des ganzen Bassins 24 Fuß, durchschnittlich aber herrscht eine Tiefe von zehn bis 14 Fuß vor, wenngleich es sogar mitten in der Bucht nur vier bis sechs Fuß Tiefe gibt.
Daß diese Sandbank wie das ganze Riff keine neuen Bildungen sind, läßt sich daraus erkennen, daß sie auch auf Karten verzeichnet sind. Eine Karte aus dem 17. Jahrhundert zeigt bei Kußfeld die Sandbank als mit der Halbinsel zusammenhängend und als kleinere schmale Halbinsel eine Strecke in das Meer hinausragend, um erst dann unter der Wasseroberfläche als Sandbank weiterzulaufen. Auch der Meeresboden ist auf beiden Seiten der Sandbank ein grundverschiedener. Der Boden des östlich von derselben gelegenen Teils der Danziger Bucht ist sogenannter Tiefschlamm und gehört zu einem sogenannten Tiefschlammbassin, welchen man in der Strecke um Stockholm bis nach Hela findet. Dagegen findet man in dem abgeschlossenen Teil der Bucht ungeheuer viel moorigen Boden. Freilich deckt diesen moorigen Boden eine Sandschicht. Sie ist aber sehr dünn, und es tritt in der Nähe der Ufer der schwarze Grund deutlich hervor. Es soll in der Wiek in vier bis fünf Fuß Tiefe auf dem Meeresgrund Spuren eines früheren, sich hier befindlichen Waldes finden. Da sich auf dem Boden des Meeres keine Torflagen erzeugen können und sich solche Torflager unter dem Meeresspiegel befinden, so sind dieselben durch Senkung der umliegenden Strandgelände in diese Lage geraten. So kann man keinen Augenblick mehr zweifeln, daß der westlich von der Sandbank Rewa-Kußfeld gelegene Teil der Putziger Wiek einstens Festland gewesen ist und zwar noch anders als eine nach Osten vorgeschobene Verlängerung der Schwarzauer und Putziger Kämpe.
Rekonstruieren wir nun das Festland, wie es damals gestaltet war. Sein Nordstrand reichte von Rixhöft aus in Richtung von Westnordwest nach Ostsüdost, ein wenig weiter als zu der Stelle, wo heute Kußfeld liegt. Hier machte die Küste eine scharfe Biegung und nahm die Richtung von Norden nach Süden an, die sie ja im wesentlichen bis Zoppot beibehält. Als das Festland noch diese Gestalt hatte, kann man sich noch viel genauer den toten Punkt, auf welchem sich nach dem weiter oben Gesagten die Senkstoffe der Weichsel ablagern mußten, als notwendigerweise an der Stelle befindlich denken, wo heute das Haupt von Hela ruht. Dort also erhob sich allmählich eine Insel, deren Längsrichtung jener Meeresströmung, welche gewissermaßen zu ihrer Richtung beitrug, parallel sein mußte. Diese Insel erhielt allmählich einen Umfang, welcher den heute zwischen Heisternest und der Spitze belegenen Teil der Halbinsel vermutlich übertraf, besonders hinsichtlich der Breitenausdehnung. Bei dem Wachsen der Insel, welches an ihrer durch das nahe Festland geschützten West- resp. Nordwestseite schneller vor sich gehen mußte, konnte die Verknüpfung der Insel mit dem benachbarten Festland durch eine, wenn auch schmale Landzunge nicht ausbleiben. Als die Vereinigung mit dem Festlande vollzogen war, türmte sich an der Stelle, wo die neuen Anlandungen des alten Festlandes zusammentrafen, der jetzt einige 50 Fuß hohe Lübecksberg auf. So hatte auch das damalige Festland schon eine Halbinsel, welche in der Richtung der heutigen verlief, aber kaum halb so lang und nicht bedeutend breiter war. Dann kam jene Senkung, welche vermutlich im Verlauf von Jahrhunderten, wenn nicht von Jahrtausenden die dortigen Küstenländer hinschweben ließ.
Gewaltige Katastrophen müssen es gewesen sein, als das Meer die schützenden Dünenwälle endlich durchbrach und das dahinterliegende Land überflutete, soweit es unter das Meeresniveau gesunken war. Damals erhielt die Strecke Großendorf-Schwarzau-Putzig-Rewa ihre heutige Küstengestaltung. Von der davor liegenden flachen Kämpe ist nichts übriggeblieben, als die ihre Nordküste begrenzenden Dünen. Diese, naturgemäß höher als die der Ostküste, ragten nun noch als ein schmaler flacher Rücken aus dem Wasser hervor und bildeten so eine, wenn auch schwache Verbindung der Halbinsel Hela mit dem heutigen Festlande, so daß sie uns jetzt wie eine Fortsetzung der Halbinsel erscheinen. Es beweist eine genauere Untersuchung der Halbinsel deutlich die Herkunft von zwei verschiedenen Faktoren. Nur in demjenigen Teil, welcher das Haupt derselben bildet, nämlich zwischen Heisternest und Hela finden wir jene Spuren des Urwaldes. Ein solcher wuchs wohl auch auf der einstigen Kämpe, dem jetzigen Wiekgrunde, aber nicht auf den Dünen derselben. Nur in demjenigen Teil der Halbinsel, welcher schon in der Zeit vor der Senkung die damalige Halbinsel bildete, nämlich vom Lübecksberg an bis zur Spitze, finden wir zwei Dünenreihen, eine am Innenstrand und eine am Außenstrand der Halbinsel. Die Dünen, welche den Nordstrand des untergegangenen Festlandteils bildeten, erblicken wir jetzt in dem sandigen und schmalen Teil der Halbinsel Hela zwischen Großendorf und dem Lübecksberg, der noch vollen Dünencharakter trägt.
Die Dünen, welche jenes untergegangene Festland gegen Osten schützten, ziehen sich heute als Riff, als Sandbank von Kußfeld nach Rewa hinüber. Jenes Riff trägt in seinen ganzen Breiten- und Tiefenverhältnissen, in dem feinen weißen Sand, aus dem es besteht, deutliche Hinweise auf die damalige Düneneigenschaft. So können wir uns die seltsame Gestalt der Halbinsel Hela aus ihrer Entstehung durch Anschwemmung und Senkung erklären.
Der Name Hela
Der Name „Hela“, der nicht nur dem auf der Spitze der Halbinsel gelegenen Orte, sondern der ganzen Halbinsel eignet, hat den Gelehrten einst viel Kopfzerbrechen gemacht. Bald wollte man ihn von den alten Helveonen haben, die es gegründet und nach Tacitus ihren Wohnsitz in Schlesien, nach Ptolomäus ihn auf der Insel Bornholm hatten. Aus dem Skandinavischen wollten andere den Namen herleiten, nämlich mit Bezug auf die Gestalt der Halbinsel von dem skandinavischen Wort „Häl“, zu deutsch „Hacke“. In diesem Falle, sagt Karl Girth in seiner Beschreibung, erscheint mir die am meisten poetische Deutung als die annehmbarste. Ein Chroniker als Lehrer in Hela teilt mit, soviel er aus einer alten pommerschen Kirchengeschichte in Stettin habe ausfindig machen können:
Der Herzog Wartislaus baute um 1128 unsere alte Stadt an Stelle der schlechten Hütten, die von rohen wilden Heiden bewohnt waren, und ließ sie nach seiner Gemahlin „Heyla“ nennen. Es bleibt ganz dahingestellt, auf welche Weise die Halbinsel und der Ort den Namen Häl oder Heyla her hat, jetzt heißt der Ort Hela.
Entwicklung der Landzunge Hela
Die Frage, wie sich die Landzunge gebildet und welche Naturkräfte hierbei tätig gewesen sind, wird man sich auf diese Art denken können: Denkt man sich die Danziger Bucht und die Putziger Wiek ohne die Landzunge Hela, so haben wir einen ruhigen Meeresteil längs der Küste der Putziger Wiek, welcher durch die Meeresecke Rixhöft in der westlichen Hälfte von der von West nach Ost vorüberziehenden Küstenströmung geschützt ist. In diesen ruhigen Meeresteil mündeten vor tausend Jahren mächtige Flußarme, bei Oslanin die Reda, und bei Putzig die Plutnitz, welche ihre schwebenden Bestandteile in den ruhigen Meeresteil hinaustrugen, bis sich Schicht auf Schicht in der Bucht von Rixhöft bis nach Kußfeld ablagerten und in den Jahrhunderten so hoch bildete, bis sie die Meeresoberfläche erreichten und wie eine Landzunge emporstiegen und sich darauf Pflanzen wie Gras und Sträucher pflanzten und verbreiteten und sich dann an dem östlichen Rande ein Sandrücken bildete, welcher sich zuletzt durch Anspülungen des Süd- und Ostwindes zu schützenden Dünen emporhob, worauf ebenfalls durch angetriebene Wurzeln und Sträucher sich Schilf, Gras und Sträucher bildeten.
Daß die Flüsse, die Reda und die Plutnitz einst breit und tief gewesen sind, daß auf denselben Fahrzeuge gefahren sind, weist darauf hin, wie von den alten Leuten erzählt wird, daß eine viertel Meile landeinwärts von Becka mehrere Meter tief im Torflager ein Schiffsanker und alte Schiffsteile aus Holz ausgegraben worden sind. Da durch Hemmungen in den Oberteilen die Strömung in den Flüssen schwächer wurde, haben sich in den Ausflüssen von langen Hunderten von Jahren auf dem Grunde Wasserpflanzen gebildet, welche aufgewachsen und durch Ablagerungen von Schlamm wieder verfault sind, worauf sich ein Torflager gebildet hat und vom Rande aus immer mehr zugewachsen ist, bis diese Ausflüsse ihre jetzige Gestalt angenommen haben.
Leute, die in den Jahren 1700-1750 in Putziger Heisternest gelebt haben, haben erzählt, daß im Putziger Wiek, wo jetzt mehr denn ein Meter Wasser ist, große Wiesen gewesen sind und die Bauern vom Festlande dort Gras gemäht haben, auf dem Riff bewachsene Sanddünen gewesen sind und das Riff mit Schilf und Laubsträuchern bewachsen gewesen, in welchem die wilden Enten und Möwen genistet haben und sie als Knaben dort sich diese Eier geholt haben.
Wie diese Ausflüsse versiegten und ihre Kräfte nicht mehr tätig waren, so kam die Versenkung dieser Landzunge, als das Meer den nördlichen Dünenwall wieder durchbrach und das dahinter liegende Land wieder überflutete und die Halbinsel ihre jetzige Gestalt wiederbekam. Ebenso ist der westliche Dünenwall durch starken Sturm von Nord durchbrochen worden, bis nur das jetzige Riff übrig geblieben ist.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts sind die letzten Dünenhügel durch große Stürme von Norden und starken Eisgang zerstört worden, daß nur noch bei niedrigem Wasserstand der Rücken des Riffs stellenweise zum Vorschein kam.
Helas Geschichte
Wann wohl das erste Mal menschliche Niederlassungen in Hela gegründet worden sind, ist nicht geschichtlich überliefert. Doch hat auch hier die Sage versucht, die Lücke auszufüllen. So hört man von Fischern erzählen, daß etwas nordwestlich von dem heutigen Hela an einer Stelle, die jetzt das Meer bedeckt, einst eine große und überaus reiche Stadt gestanden habe. Doch ihre Bewohner waren gottlos und lasterhaft und führten ein üppiges, in leerer Genußsucht lasterhaftes Leben. Da sei einst an einem Pfingsttag, als die Bewohner der Stadt während der Kirchzeit gottlose Lieder sangen, das Meer mit furchtbarem Getöse über die Stadt hereingebrochen und habe sie mit ihren gottlosen Bewohnern sämtlich verschlungen. Gott lässet sie dahinfahren wie einen Strom. Das macht Dein Zorn, daß die Menschen so vergehen, und Dein Grimm, daß sie so plötzlich vergehen. Denn unsere Missetat stellest Du von Dich, unsere unerkannte Sünde in das Licht von Deinem Angesicht. Darum fahren alle unsere Tage dahin durch Deinen Zorn. Wer glaubt es aber, daß Du so zürnest? Und wer fürchtet sich vor solchem Deinem Grimm? Aber Herr lehre doch mich, daß es ein Ende mit mir haben muß und mein Leben ein Ziel hat und ich davon muß.
Eine zweite Sage berichtet Prätorius. Er erzählt, daß ein König einst auf Hela geherrscht habe, der auch Münzen aus Silber mit der Inschrift „Rex Helae“ habe gießen lassen. Auf diese Sage, so berichtet Prätorius weiter, gibt 1707 der verstorbene Bürgermeister von Danzig und Administrator von Hela Johann Em. Schmieden in den Versen an, welche er mit Bezug auf die von einigen Danziger Patriziern, nämlich Karl Gottfried Schmieden, Valentin Schlieff und Johann Georg Rossenberg im August des Jahres 1699 nach Hela unternommenen Reise gedichtet und die folgendermaßen lauten:
„Schlieffens et Rosenbergus praerante Schmiedens Helensis tentant litoro curva Maris Pergite et Helensis si vera est fabula Regni Invia regatis geaerite tecta domus. Hael quisquis poterit sibi pigmata visa prabare sit precor dis olem praetor in urbe sua.“
Diesen Fabeln gegenüber stehen zwei geschichtliche Notizen. Die eine ist erhalten in einer schriftlichen Chronik Helas, von einem Autor verfaßt, einem Schulherren in Hela. Derselbe teilt mit, daß er uns eine kurze Beschreibung der Geschichte Hela geben wolle, soviel er aus einer alten pommerschen Kirchengeschichte des Doktor Herrn Daniel Cramerus, der etwa um 1600 geschrieben habe, habe ausfindig machen können. Es heißt darin:
„Im Jahre 1124 nach Christi Geburt zog Otto von Bamberg, Bischof aus Polen auf Befehl des Kaisers Heinrich V. und des Herzogs Politzlaus aus Polen nach Pommern, die heidnischen Völker und Bewohner desselben zum christlichen Glauben zu bekehren. Bei seiner Rückreise nach Polen setzte er seinen Reisegefährten Albertus zum ersten Bischof in Julim ein, welcher die Heiden längst der Ostseeküste bekehrte und taufte.“
Er kam nun auch soweit von Stettin aus, die Bewohner auf der Landzunge Hela zum Christentum zu bekehren, welches Fischer und noch rohe Völker waren. Im Jahre 997 kam der Apostel der Preußen, der Hr. Adalbert nach Danzig, welches damals … „Gdaneck“ … hieß. Viele von den heidnischen Bewohnern ließen sich von ihm taufen und wurden Christen. Danzig war damals ein von Fischern bewohnter kleiner Ort. Sie wohnten in ärmlichen Hütten, nährten sich vom Fischfang und trieben Handel mit dem vom Meere angespülten Bernstein. Um das Jahr 1100 hatte sich Danzig zu einer kleinen Stadt ausgebreitet und 1185 die St. Katharinenkirche gebaut. Die Bekehrung der Bewohner Helas ging aber schlecht, sie wurden auch bald wieder rückfällig. Herzog Wartislav, welcher sich in Sachsen hatte taufen lassen, schickte hierauf pommersche Fischer als Kolonisten nach Hela zur Bekehrung resp. Vertreibung jener Heiden, welche den stettinischen dreiköpfigen goldenen Götzen Triglaff oder der Insel Rügen ihren Götzen Schwantiweit anbeteten. Aber den neuen Abkömmlingen ging entweder die Bekehrung zu langsam oder sie fingen die Sache nicht vom rechten Ende an, nämlich sie wählten die Vertreibung und setzten sich wie die Sperlinge in dem fremden Neste fest. Herzog Wartislav, dem die Bekehrung der heidnischen Völker sehr am Herzen lag, tat viel dazu, daß auch in dem alten Fischerort Hela, wo der christliche Glaube sich anfing zu verbreiten, anstelle der schlechten Hütten bessere gebaut wurden und ließ den Ort nach seiner Gemahlin „Heyla“ nennen, da der Ort Hela immer stärker mit Bewohnern aus Pommern, so mehren Teils Fischer gewesen, besetzt wurde. Wie noch die alte Willkür von 1583 zu Rathaus in Danzig beweist, ließ der Herzog für die Bewohner Helas im Jahre 1130 eine Kirche bauen, welche von dem Bischof Albertus eingeweiht und der Bischof selbige nach seinem Namen Albertuskirche genannt. Die Fürstin Heyla hatte in dieser Kirche einen großen silbernen Kelch, von innen und außen vergoldet und mit sechs Edelsteinen besetzt, und eine silberne Taufkanne und eine silberne Oblatdose geschenkt. Ein silberner Kelch wurde von einem erhabenen Bürger an die Kirche geschenkt, der Name mit „München“, Schrift ohne Jahreszahl aufgestochen:
„Biddet Got vor Pavel Gerold vede vor Gerthrud sine Hyisfryw düten Got genädig si.“
Diese Kirchengeräte wurden im Französischen Kriege 1812 den 5. Juni, als die Franzosen Danzig besetzt hatten, auf Befehl des Französischen Kommandanten durch den Vogt von Hela nach Danzig gebracht, nebst der großen, vergoldeten, zierlichen Kanne, die der Bürgermeister und Administrator Herr Joh. Ernst Schmieden 1700 der Kirche geschenkt. Diese Kirchengeräte sind nicht mehr in den Besitz Helas zurückgekommen. Im Jahre 1136 starb der christliche Herzog Wartislav, und sein Bruder Fürst Ratiborus kam an die Regierung und ließ in Hela 1142 eine Kapelle bauen, und der Bischof Albertus weihte diese ein und nannte sie St. Peter. 1170 führte der König von Dänemark, Woldemarus, die großen vielen Kriege mit den Herzogen von Pommern und nahm etliche Städte an der See weg bis Alt-Hela, hernach ist Hela auch an Polen gekommen, in welchem Säculo ist unbewußt. Die Objekte, welche uns vielleicht einen Aufschluß geben könnten über das rätselhafte Dunkel, was über den Bericht von Helas Gründung liegt, nämlich die Kirchengeräte, welche angeblich von den Fürsten Heyla der Albertuskirche geschenkt worden waren, sind von den Wirren der napoleonischen Zeit zum Opfer gefallen. Der von einem wohlhabenden helenser Bürger geschenkte und vom Vogt wieder zurückgekaufte Kelch, ein Meisterstück der Goldschmiedekunst, befindet sich noch unter den Kirchengeräten von Hela. Er ist nachdem repariert, und die am Fuß befindliche Inschrift ist dabei entfernt worden.
Haben wir auch keinen festen Stützpunkt für die Gründung Helas, so sind die Angaben doch aus dem Grunde nicht von der Hand zu weisen, weil sie teilweise sehr viel Wahrscheinlichkeit für sich haben. Es dürfte die Behauptung, daß Hela durch pommersche Aussiedler besetzt, durchaus auf Wahrheit beruhen. Es soll darauf später zurückgekommen werden, daß jene Pommern nicht die ersten Bewohner der Halbinsel Hela gewesen sind.
Etwa ums Jahr 1100 hatten sich die pommerschen Herzöge Danzig zur Residenz erkoren und nannten sich die pommerschen Herzöge von Pommerellen in Gdanneck. Es liegt nahe anzunehmen, daß ihre Herrschaft auch auf die Halbinsel Hela sich erstreckte und daß sie diese klug und praktisch dadurch bestätigten, daß sie Untertanen ihres alten angestammten Besitzes in den neuerdings in das Herrschaftsgebiet einbezogenen Ländern ansiedelten. So hat die Überlieferung, daß die Helenser, d.h. die Bewohner des auf der Spitze der Halbinsel liegenden Ortes Hela von pommerschen Fischern abstammen, sehr viel für sich in geschichtlicher Beziehung. Diese pommersche Kolonie hat sich infolge der abgeschlossenen Lage wunderbar rein erhalten. Wann diese Besiedlung erfolgt ist und wie schnell sie vor sich gegangen und wie rasch es den christlichen Ansiedlern gelungen ist, ihren Stamm und ihren Glauben dort zur Alleinherrschaft zu bringen, das ist uns nicht genau überliefert. Wir werden uns die Besiedelung Helas durch pommersche Fischer also nicht als plötzlich in voller Ausdehnung geschehen, sondern als allmähliche, während der ganzen Zeit der Herrschaft der pommerellischen Herzöge stattfindende Einwanderung zu denken haben.
Hand in Hand mit der Verdrängung der wahrscheinlich nur sehr spärlich vorhandenen Ureinwohner ging das Überhandnehmen des Christentums, welches wohl auch durch Sendlinge des im Jahre 1178 gegründeten Klosters Olivia verbreitet und gepflegt wurde. Hela gehörte im Beginn des 13. Jahrhunderts noch den pommerellischen Herzögen. Als im Jahre 1295 Mestwin II. Parl und mit ihm die Dynastie der Pommerellischen Herzöge erlosch, mag auch Hela in den Streit, der um das Danziger Gebiet entflammte, vorübergehend in polnischem Besitz gewesen sein. Im Beginn des 14. Jahrhunderts übernahm dann der Orden der Deutschen Ritter die Herrschaft über das pommerellische Land, und 1308, wie die Deutschen Ordnungsritter sich zu Herren der alten Burg und der Stadt Danzig machten, ist auch Hela unter die Herrschaft der Ordensritter gekommen, womit es dann auch für Hela mit der kaiserlosen, wohl nicht gar so schrecklichen Zeit, aus gewesen sein muß. Es scheint, daß sich die Freiheit Helas gerade in jener Zeit einer gewissen Blüte emporgeschwungen hat. Aus dem tiefen Dunkel, das seine Entstehung und seine ersten Anfänge verhüllt, taucht es nämlich plötzlich mit einer urkundlich beglaubigten Tatsache hervor, welche nicht nur auf eine hohe kirchliche Gesinnung, sondern auch auf einen gewissen Wohlstand und Bürgersinn seiner Einwohner schließen läßt.
Im Jahre 1311 oder 1333 wurde in Hela eine St. Chatarinen-Brüderschaft (Chatarinengilde) gegründet, welche es sich zur Aufgabe gestellt hatte, die vom Meere angespülten Leichen christlich zu bestatten und die auf dem Strand verunglückten Seeleute aufzunehmen und für sie zu sorgen. Prätorius schreibt darüber 1707: Vor 356 Jahren hatte eine Kirche in Hela gestanden. Solches ist offenbar aus einer alten, auf Pergament geschriebenen und am Tage St. Chatarinen Anno 1351 aufgerichteten Gildebrief, welchen ich selbst in meinen Händen habe, vermöge dessen eine sonderbare Chatarinen-Brüderschaft in Hela damals ist gestiftet worden und wird darinnen ausdrücklich gedacht der Messe, was und wieviel die Brüder und Schwestern dabei opfern sollten. Auch wird bald im Anfang des Vogts erwähnt, daß also die Helischen damals schon ihren ordentlichen Vogt gehabt, und dieser Ort nach seiner Art volkreich mit Christen besetzt gewesen, die ihren Gottesdienst gehalten. In dem Register der St. Chatarinengilde steht 1619 ausdrücklich: Es sei schon 286 Jahre vorher die St. Chatarinengilde von aufrichtigen Menschen gestiftet, das wäre von 1619 an zu rechnen anno 1333 oder gar, wenn man es vom ?Schalizio? anno 1597 rechnen sollte, schon anno 1311. Immer mehr scheint sich der Ort entfaltet zu haben. Dem an die heutigen Verhältnisse Gewöhnten fällt es schwer sich vorzustellen, wie ein Ort, so abgelegen und weltvergessen auf so schmalem Raum, ohne kulturfähige Umgebung, ein Ort endlich, der heute nur mühsam noch sein Dasein fristet, es zu so einer bedeutenden Entwicklung, zu solcher Größe und solchem Wohlstand gebracht haben kann.
Daß Hela dieses aber einst wirklich besessen, geht am schlagensten aus der Urkunde hervor, vermittels welcher der Hochmeister Winrich von Kniprode Hela zur Stadt erhob. Die Urkunde ist am 17. August 1378 zu Marienburg ausgestellt, sie führt das „Lübische Recht“ ein und erhält eine Anzahl Bestimmungen über die zu leistenden Abgaben, welche darum besonders von Interesse sind, weil sie auf ein lebhaftes Treiben und Wirken in dem jungen Ort schließen lassen. Wir sehen daraus nicht nur, daß die Fischerei mit sehr verschiedenen Netzen ausgeführt wurde, sondern daß auch Krämer und Schuster, Bäcker und Fleischer daselbst ihr Auskommen fanden. Es heißt in der Urkunde, dem bisherigen Fischerdorf Hela wird das Stadtrecht verliehen. Von den Gerichtsbußen fällt ein Drittel fürs erste an den Vogt, dann das andere an die Stadt. Von Hela erhalten alle Einwohner freie Holzung, freie Weide und jede Art andere Nutzung. Alle Einwohner sollen dasselbe Recht haben nach Lübischem Rechte. Der auferlegte Zins soll nicht erhöht werden und nicht erniedrigt. Weinschank zu betreiben bedarf es die besondere Erlaubnis des Ordens. Die Helaer dürfen einen Wochenmarkt halten, dafür zinst jede Schute ewiglich ein und eine halbe Mark. Jede Backstube zwei Mark und zwei Pfund Pfeffer. Der Fleischer eine halbe Mark und ein halbes Pfund Pfeffer, ebenso jeder Krämer und Schuhmacher eine halbe Mark und ein Pfund Pfeffer. Zu jeder Zeit des Herbstes, wo der Fischmeister in Hela liegt, des Sonntags einen Braten. Jeder Hackenbüdner eine halbe Mark und ein Pfund Pfeffer. Jeder Bäcker eine halbe Mark und ebensoviel die Kaufleute. Die mit Obgarn fischen zwei Mark. Jede zum Heringsfang auslaufende Schute vier Tonnen Hering. Den Bau einer Mühle behält der Orden sich vor. Für 28 Morgen Wiese zahlt Hela sechs Mark, welches noch im Jahre 1400 an den Deutschen Ritterorden gezahlt wurde.
Dies alles aber bezieht sich nicht auf das heutige Hela, sondern auf einen Ort, der sich eine kleine viertel Meile weiter nordwestlich befand. Danzig gehörte vom Jahre 1309 bis zum Jahre 1454 zum Deutschen Ordensstaate Preußen. Unter der Ordensherrschaft entwickelte sich in Danzig eine rastlose Tätigkeit. Auf dem sumpfigen Boden der damals breiten Mottlauufer wurde eine ganz neue Stadt, die Rechtsstadt (1311) gegründet, die sich so schnell ausbreitete, daß im Norden der alten Stadt, die Jungstadt (1380), im Süden von der Rechtsstadt die Vorstadt (1393), im Osten bei den langen Gärten, Langgarten und die Niederstadt (1454) angelegt wurde. Es entstanden 16 neue Kirchen.
Im Jahre 1457 kam Danzig unter polnische Herrschaft. Helas Einwohner waren damals im wesentlichen Fischer, wobei wir nicht vergessen dürfen, daß sich die Fischereiverhältnisse in jener Zeit erheblich geändert haben. Aus mehreren Urkunden, welche sich auf dem Danziger Stadtarchiv befinden und aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts herstammen, geht hervor, daß ein verhältnismäßig reger Verkehr mit Danzig stattgefunden und in der jungen Stadt ein ziemlich munteres Leben und Treiben geherrscht haben muß. Ein besonders helles Licht auf diese Verhältnisse wirft eine Urkunde, eine sogenannte Willkür nebst Fischer-, Fest- und Feuerordnung der Stadt Hela (1430). Mit Genehmigung des Fischermeisters, der seinen Sitz in Putzig hatte, vermutlich der Ordensritter Ulrich Zenger oder Wilhelm Weiss, war die Willkür zustande gekommen. Einzelne Bestimmungen heißen:
„Nymant sal topelen lasen in synen huse im Kove ond in sysnen eigenheit und wer do topelt, der sal geber ein Mark Straffe. Alle spil sullen verboten syn umb gelt. Ouch sal keyn meskumpen odir mitknecht lange messer tragen den de mose vor dem rathhuse. Ouch welch styrman hering verkofft dat sal eyn stete koff blieven es sy wi vil es sy. Ouch sal keyn gast koffslagen an dem strande omt grünen hering da eyn bürger bey steet und dinget. Ouch sal sich eyn jedermann bewisen gutlich undo erlich mit uns liben frauen gelde dy helfte zu der kirchen dy andere helfte zu dem heiligen lichnam. Eynen frien marktag sal haben eyn Jedermann of den sonnobet he sy von wanne her sy, Vleyscher ond alle vorkouffer sallen nicht kouffslagen am sonntage vor der messe by eyn mark straffe. Item keyn kretzumer sal czappen lenger an dem obent den czu des seigers newne by eyn mark straffe.“
Aus diesen herausgegriffenen Vorschriften der Willkür läßt sich ersehen, wie mannigfaltige Geschichts- und Verkehrsverhältnisse, wie reges Leben Hela eine Neustadt bildete und ausbreitete. Ob schon seit langer Zeit eine Neben- oder Vorstadt existiert hat, muß dahin gestellt bleiben. Die Kirche zu Neu-Hela hatte den Vorrang vor der zu Alt-Hela, da im Jahre 1483 an ersterer der Pfarrer Johannes Gödicke amtierte und zu Alt-Hela nur der Vikar Jackob Brandes tätig war. Die Kirche zu Neu-Hela wird als St. Peter- und Paulskirche , die zu Alt-Hela als Liebfrauenkirche erwähnt. Neben der Kirchen berichten uns die Urkunden noch von einigen milden Stiftungen. Außer der früher schon erwähnten Chatarinenbrüderschaft haben wir noch ein oder zwei Hospitale, davon eins „Zum Heiligen Leichnam“ benannt, das uns schon aus der Willkür von ca. 1450 bekannt ist. Im Jahre 1494 wird auch einer in diesem Jahre erbauten Annenkapelle Erwähnung getan. Beide Ortschaften scheinen unter einer Verwaltung gestanden zu haben. Wie die Stadt Danzig mit Elbing wegen der Nehrung in Streit geriet, wurde der Streit vom Deutschen Ritterorden dahin geschlichtet, daß Elbing die eine halbe und Danzig die andere halbe Nehrung erhielt und Hela unter die Aufsicht von Danzig gestellt wurde. Der immer schwächer werdende Deutsche Orden hatte inzwischen die Hoheitsrechte über Hela dem Danziger Rate übertragen, zwischen welchem und der Gemeinde von Hela es nun im Jahre 1454 am 14. März zu einer Einigung über die Wahl der helensischen Obrigkeiten kam. Es wurde folgendes festgesetzt:
Der Danziger Rat wählt einen Vogt und zwölf Ratsmannen, vermutlich sechs aus Alt- und sechs aus Neu-Hela. Diese leisten dem Rat der Stadt Danzig alljährlich den Eid der Treue und wählen aus ihrer Zahl einen Bürgermeister, der des Rates Wort führen und sprechen soll. Der vom Danziger Rat gewählte Vogt hat eidlich zu geloben, dem Rat zu Danzig treu und hold zu sein und recht zu richten nach Lübischen Rechte einem jedermann. In ähnlicher Weise schwören die Ratsmannen der Stadt von Danzig treu und hold zu sein und das Land und die Stadt bei Ehren und Rechte zu hulden, nach ihrem besten Sinne und Vermögen.
Bis dahin hatte sich die Stadt Hela einer nicht unbedeutenden Blüte erfreut, aber wegen der Kriegsjahre hatte Hela viel zu leiden, und der Wohlstand von Hela wurde immer schwächer. Aus einem Briefe vom Rat zu Hela an den Orden geht hervor, daß die Helaer Tag und Nacht der Angriffe der Seeräuber gewärtig sein mußten, und es wird in dem Briefe gebeten, sie, da sie nur drei Harnische besaßen, doch, wenn es irgend möglich wäre, zu berücksichtigen und sie von der vom Gubernator befohlenen Absendung von Kriegsmannschaften nach der Marienburg zu entlassen, sie könnten auch wegen der Fischerei, welches auf Hela das einzige Gewerbe wäre, ihre Leute nicht entbehren. In Betracht des Geldes wollten sie schon ihr bestes tun.
Sehr häufig wandte sich Hela mit der Bitte um Beistand an Danzig. So bat es in einem Schreiben vom 27. März 1459 um Vertretung auf der Marienburger Tagefahrt, da sie als „arme Fischer“, die in den wilden Wogen ihre Nahrung suchen müssen, zu eigener Vertretung nicht im Stande seien. Auch geriet Hela sehr in äußere Bedrängnis:
Zunächst kam Fehde mit Camin. Ein helenser Bürger namens Arendt Zarneke sollte angeblich den Anwohnern des Caminer Haffs irgendwelchen Schaden getan haben. Daher wurden alle Helenser, sobald sie Caminer Gebiet betraten, als Feinde behandelt und gefangen gehalten, worüber sich Hela am 15. Juni 1458 bitter beschwerte und unter dem 6. Juni 1459 Danzig um bewaffnete Hilfe gegen Camin anging. Alsdann wurde es von Dänen und Lifländern heimgesucht, und da die gesamte waffenfähige Mannschaft nicht ausreichte, um auch nur den Strand zu bewachen, wandte man sich wieder um Hilfe an Danzig, denn der Fischfang konnte nicht betrieben werden, und man hatte viel zu leiden.
Dann kamen Zwistigkeiten mit dem Woiwoden Otto von Machwitz, der Hela in allerlei Weise schikanierte und in seinen Freiheiten und Rechten zu schädigen drohte. Auch mit den Nachbarn gerieten sie in Streit und wurden bedrängt, 1449 mußte Hela Danzig um Schutz anrufen, weil die pommerellischen Edelleute Hela mit Fehde überziehen wollten, da mehrere ihrer Bauern nach Hela geflüchtet waren.
So nahte das Jahr 1466, der zweite Thorner Friede. War schon in dem letzten Jahrzehnt die Schirmherrschaft des Ordens nur eine nominelle gewesen, so kam Hela nun ganz in die Hände Danzigs. Der gänzlich gebrochene Deutsche Orden hatte Ostpreußen vom Polenkönig zum Lehen, Westpreußen aber an denselben abtreten müssen. Zunächst freilich wurde Westpreußen nicht polnische Provinz, sondern es trat in eine Art Schutzverhältnis zur polnischen Krone. Für Hela wurde dadurch tatsächlich nichts geändert. Seitdem Danzig das Heft in den Händen hielt, war es mit Helas Wohlstand und Blüte vorbei. Der Orden hatte Hela geschützt und geschirmt, ihm Rechte und Privilegien verliehen, und seine Lasten waren nie drückend geworden. Danzig behandelte Hela in keiner Weise wohlwollend. Nur selten und widerwillig gewährte es der bedrängten Stadt Hilfe und in einer unerklärlichen Eifersucht mißbrauchte es seine Machtvollkommenheit, um den jungerblühten Ort, der ihm nie hatte gefährlich werden können, niederzuhalten, durch allerlei Zollbestimmungen und Einfuhrverbote zu bedrücken und, wie wir sehen werden, ziemlich schonungslos auszusaugen. Die Schutzhoheit Polens war bedeutungslos, im Gegenteil mußte sich Hela immer häufiger der Eindrücke und Eingriffe der polnischen Großen erwehren, die unter der Herrschaft der Jagiellonen (Großfürstentum Litauen), immer selbständiger und übermütig auftraten. So hatte es viel durch den Starost (leitender Verwaltungsbeamter eines Kreises in Polen) zu Putzig zu leiden, der es in seiner kirchlichen „Gerechtsame" kränkte, sich in das Patrionatus über Hela anmaßte, den Pfarrer der Helenser vertreiben und ihnen seinen Schreiber als Pfarrer aufnötigen wollte.
Bei diesen unausgesetzten Fehden mußte der Fischfang natürlich leiden und der Wohlstand herabgehen, besonders Alt-Hela scheint um diese Zeit viel gelitten zu haben und zurückgegangen zu sein. Mit Helas Blütezeit und Gedeihen war es vorbei. Alle Augenblicke hören wir die Klage, daß der Zins nicht eingehe und daher nicht rechtzeitig an das mahnende und drängende Danzig abgeführt werden könne, so am 11. März 1460, 16. September 1463, am 22. Juli 1472, am 27. April 1497 usw. Um des Unheils Maß zu füllen, kam noch innerer Zwist hinzu.
Im Jahre 1500 fand eine großartige blutige Schlägerei statt, derer Bestrafung der Rat von Hela den der Stadt Danzig vom 21. April zu übernehmen bat, da er sich selbst zu schwach dafür hielt. Möglicherweise handelte es sich hier bei dieser Schlägerei um einen Gegensatz zwischen Alt- und Neu-Hela.
Auch äußerlich führte sich das 16. Jahrhundert schlimm ein. Zunächst bekam Hela Händel mit dem Woiwoden Nikolaus Wolkau, der von der kleinen Stadt die Stellung von Mannschaften, sowie Kriegsbereitschaft verlangte. Wiederholt muß Danzigs Schutz erfleht werden. So auch wieder am 19. November 1502 gegen den Landvogt von Pommern und am 15. August 1511 gegen die Lopczysen. Immer schwieriger wurde Helas Lage. Je feindlicher sich seine Nachbarn zeigten, je schwieriger die Verbindung zu Lande mit dem Festlande und der übrigen Welt wurde, um so mehr war es auf das zur See immer noch leicht erreichbare Danzig angewiesen. Aber gerade mit diesem gab es auch immerwährend Reibereien. Besorgt um seinen eigenen Vorteil war Danzig bestrebt, alle Handels- und Erwerbszweige in seiner Hand zu monopolisieren und schnitt den ohnehin schon der Verarmung ausgesetzten Helensern durch vielfache Handelsbschränkungen, Einfuhrzölle, ja Einfuhrverbote, durch Abgaben, welche auf alle Erwerbszweige, sogar auf den wichtigsten, auf die Fischerei, gelegt wurde, jede Möglichkeit zu gedeihen ab.
Wiederholt hat deswegen in Hela, wie urkundlich überliefert ist, geradezu bitterer Mangel geherrscht. Wenngleich nicht frei von Komik, so ist doch bezeichnend für die Handlungsweise der Danziger folgende Tatsache: Im Herbst 1513 war zuwenig Bier in Hela eingefahren worden, und als nun der Winter jede Zufuhr abschnitt, litten die Helaer argen Durst. Sofort nach Aufbruch des Eises wandte sich daher der Rat von Hela mit einem Schreiben vom 28. März 1514 nach Danzig und jammerte darüber, daß im vergangenen Winter wegen des Trinkens eine große Not gewesen sei wie seit 40 Jahren nicht gewesen ist, und legt dar, daß die sieben Krüge auf Hela jeder mindestens 100 Last Bier das Jahr über brauchten.
Verhältnismäßig früh, schon 1525, hielt die Reformation ihren Einzug in Hela. Schon im Frühjahr 1524 beklagt sich Hela beim Danziger Rat, daß der Offizial von Putzig ihnen ihren vom Könige und vom Bischof Matthias von Cujavien bestätigten Pfarrer Bartholomäus verstoßen, und den Priester Heintze, den man wegen seiner vielen Vergehen beurlaubt habe, wieder aufdrängen wolle. Danzig legte sich in der Tat ins Mittel und brachte eine gütige Einigung zwischen den beiden Nebenbuhlern im Pfarramt zustande, wofür Hela sich am 29. April 1524 bedankte.
Etwas überraschend scheint daher die Meldung gekommen zu sein, welche die Helenser unter dem 5. Februar 1525 dem Danziger Rate machten, daß sie nämlich den Magister Herrn Heinichs auf ein Jahr zum Kaplan gewählt hatten, welcher sich bereit erklärt habe, das Wort Christi wie in Danzig, nämlich reformiert zu verkünden, womit die Bitte verbunden war, den Erwählten zu bestätigen. Es scheint sich jedoch kein wesentlicher Widerspruch geltend gemacht zu haben. Es verblieb bei der neuen Lehre, wie die Vereinbarung vom 25. August 1538 zwischen dem Rat der Stadt Hela und ihrem neuen zukünftigen Pfarrherrn Bartholomäus Hican beweist, der sich verpflichtet, nach der Augsburgischen Konfession zu predigen, wofür ihn die Stadt zunächst versuchsweise auf ein Jahr anstellt. Über diesen Vertrag entsetzten sich die Danziger Ratsherren etwas, weil sie darin eine Anmaßung ins Patronatus sahen, und Hela mußte wiederholt berichten.
Danzigs Oberhoheit war inzwischen noch durch ein Privileg von König Sigismund I. vom 22. Juli 1526 ausdrücklich anerkannt worden, wofür Danzig seine Ansprüche auf ein Teil der Nehrung fallen lies. Nunmehr änderte sich auch die Verfassung Helas wieder insofern, als ein neuer obrigkeitlicher Faktor eingeführt wurde. Über die Amtsführung des Vogtes, Bürgermeisters und Rates von Hela, erhielt nun die Oberaufsicht der vierte, jüngste Bürgermeister von Danzig mit dem Titel eines Administrators des Landes Hela und zugleich die Beisitzer aus den drei Ordnungen. (Die Stadtobrigkeit in Danzig bestand aus drei Ordnungen, dem Rat, dem Schöffengericht und der dritten Ordnung. Letztere wurde durch die Vertreter der Kaufmannschaft und der Hauptgewerke gebildet).
In dieser Eigenschaft als Administrator hat der betreffende Bürgermeister alle die Halbinsel und Stadt Hela und deren Verwaltung angehenden Angelegenheiten zu erledigen, auch die Rechtspflege, soweit sie nicht der Stadt Hela selbst zustand, auszuüben. Zu diesem Zwecke sollte er sich von Zeit zu Zeit durch persönlichen Besuch von den Zuständen und Bedürfnissen des seiner Obhut anvertrauten Territoriums in Kenntnis setzen, was im Anfang vielleicht einige Male, später, wie wir sehen werden, nur äußerst selten geschah. Hela wird zunächst um nichts gebessert. Immerfort gab es äußere Unruhen. Bald erscheint eine königliche Jacht, bald ankern dänische Orlow-Schiffe in der Nähe, bald muß es sich wieder gegen polnische Übergriffe wehren. Dazwischen kommen immer Klagen über die Erschwerung des Verkehrs, Versicherungen, daß in Hela wirklich nichts an Fremde verkauft werde und Bitten um Wiederherstellung der früheren günstigeren Verkehrsbedingungen. Im Jahr 1555 wurde die Grenze zwischen dem Putziger und helenser Gebiet festgestellt, welche nach beglaubigten Zeugenaussagen zwischen dem Kruge und dem Dorfe Heisternest verlaufen soll. Da die Zeiten immer unruhiger wurden, sah sich im Jahre 1562 Hela veranlaßt, in einer Tonne eine große Anzahl silberner und vergoldeter kirchlicher Geräte dem Magistrat von Danzig zur Aufbewahrung zu übergeben, im ganzen 25 Wertgegenstände, darunter einige Monstranzen, 11 Kelche, mehrere Kruzifixe, u. v. a. Es kamen nun schwere Zeiten für Hela, das in den schwedisch-polnischen Kriegen unsägliches von beiden Parteien zu erdulden hatte. Hela wurde in den Verteidigungszustand gesetzt und die Bewohnerschaft mit Geschütz, Pulver usw. hinreichend versehen und mußte infolgedessen den Fischfang einstellen, so daß große Not auf Hela entstand.
Bald wurde es von den Dänen, bald von den polnischen Freibeutern überfallen. Ganz arg trieb es im Jahre 1577 der polnische Oberst Ernst von Weiher, der mit seinen Söldlingen Hela überrumpelte, die Einwohner zwang, dem König Stephan die Huldigung zu leisten, dabei sie furchtbar drangsalierte, auch den Pfarrer nicht verschonte, und endlich dem Vogt von Hela wegen Verrates den Prozeß machte. Im Jahre 1572 wurde beinahe der ganze Ort von dem schwedischen Kriegsvolk durch Feuer eingeäschert, und Hela verarmte ganz und gar und hat sich nie wieder erholt. Daß Hela im Jahre 1572 fast ganz ein Raub der Flammen geworden sei, bezieht sich vermutlich nur auf das alte Hela, welches nun ganz aus der Geschichte ausscheidet. Es ist nun mehr auch in den alten Berichten nur von sechs Ratmännern die Rede, unter welchen man sich die des neuen, nunmehr einzigen Hela wird denken müssen. Vielleicht ist hiermit auch in Verbindung zu bringen, daß Hela im Jahre 1583 vom Danziger Rat eine neue Willkür erhielt, welche insbesondere auch eine ausführliche Strand- und Kirchenordnung enthält. Sie ist datiert vom 25. Oktober 1587. Immer mehr verarmt Hela, und immer ärger wird die äußere Bedrängnis. Im 17. Jahrhundert hatte es besonders viel von den Schweden zu leiden, zumal zur Zeit des 30-jährigen Krieges. So erschien im September 1626 eine starke schwedische Flotte unter Führung des Admirals Karl Larsson und verlangte den Untertaneneid für Gustav Adolph. Danzig, das wiederum um Hilfe angegangen wurde, hatte genug mit sich selbst zu tun, um sich gegen die Schweden zu verteidigen, und antwortete den Bedrängten, sie möchten sich im Notfalle mit ihrer gesamten Habe nach Danzig flüchten. Wie dieser Rat in Gegenwart der schwedischen Flotte auszuführen gewesen wäre, ist schwer zu begreifen. Erholt hat sich Hela freilich nie wieder von seinen Schicksalsschlägen.
Auch Danzig kümmerte sich nicht mehr viel um das verarmte Hela, seit nichts mehr von dort zu holen war. Seit dem Jahr 1618 besuchte erst wieder am 5. September 1649 ein Administrator, der Bürgermeister Heinrich Freder, mit zwei Ratsherren das seiner Fürsorge anvertraute Land. Dann geruhte erst wieder 20 Jahre später, am 30. März 1669 der Administrator Bürgermeister Gabriel Krummhausen Hela persönlich. Vielleicht die Folge dieses Besuches war die „Revidierte Strand- und Kirchenordnung" für Hela von 1670. Aus der selben Zeit zeigt ein Plan von Hela fast ganz genau die heutige Anlage des Ortes, der sich in mehr als 2 Jahrhunderten fast gar nicht geändert hat. Auf dem Plan findet sich die Bemerkung:
"Hela gibt ab an den Herrn Bürgermeister von Danzig jährlich 220 Sgr. an Geld, 36 Lachs gerechnet á Sgr. 4, 36 Schock Flundern á Sgr. 2, gesalzenen Aal á Sgr. 4. Was sonst vorfällt oder gegeben wird, kommt der Kirche Hela zu gute zu."
Außerdem waren noch Abgaben an die Kämmerei zu entrichten, welche im Jahre 1678 288 Gulden betrugen.
Als die Wogen der großen Kriege endlich verrauscht waren, als Friede und einige Sicherheit wieder das schwer heimgesuchte Land erquickten, kehrten auch in Hela allmählich wieder geordnete Verhältnisse ein. Mit dem Wohlstand und der Blüte von früher war es aber freilich für immer vorbei. Aus der verkehrsreichen Doppelstadt war ein armes kleines Fischerdorf geworden. Von Handel und Schiffahrt war keine Rede mehr, das einzige Gewerbe war der Fischfang. Doch noch war die Erinnerung an die vergangene Blütezeit nicht erloschen, und jeder Helenser beansprucht für sich den Titel „Bürger und Fischer". In den Zeiten der Not, als sie immer und immer wieder vergeblich die Hilfe derjenigen anriefen, deren Schutz sie unterstellt waren, hatten sie es gelernt, auf fremde Hilfe zu verzichten und aus eigener Kraft sich zu schirmen und zu helfen.
Fester und enger schloß sich die in den Kriegen stark zusammengeschmolzene Bevölkerung zu einem wohl organisierten Gemeindewesen zusammen, das von nun an eine abgeschlossene kleine Welt für sich bildete. An der Spitze derselben stand der Vogt, ihm zur Seite der Bürgermeister und die 6 Ratmänner. Der Vogt bezog sein Gehalt in Höhe von 28 Talern aus der Danziger Kämmereikasse, dazu kamen 4 Taler für Lieferung des Streusandes nach Danzig und 10 Klafter Deputatholz und eine kleine Entschädigung aus der Gemeinde. Die Namen der letzten 20 Vogte verdienen es wohl, der Vergessenheit entrissen zu werden:
Johann Kluge, Ausländer bis 1625
Johann Ebelig, desgl. 1625 bis 1638
Daniel Geschke 1638 bis 1652
Georg Bidde, aus Hela 1652 bis 1656
Hans Goldbeck, Ausländer 1656 bis 1659
George Witt, aus Hela 1659 bis 1662
Daniel Kristke, aus Danxig 1662 bis 1670
Johann Schwandis, Ausländer 1670 bis 1687
Paul Wedel, aus Hela 1687 bis 1697
Daniel Meier, aus Hela 1697 bis 1709
Thomas Düring, aus Hela 1709 bis 1729
Paul Sehmel, aus Hela 1729 bis 1712
Carl Plog, aus Hela 1742 bis 1752
Daniel Hallmann, aus Wolgast 1752 bis 1780
George Hoffmeister, Hela 1780 bis 1808
Christian Holl, Hela 1808 bis 1835
Gottlieb Wedel, Hela 1835 bis 1843
Jonathan Ehwald, Hela 1843 bis 1871
Jacob Eller, Hela 1871 bis 1873
Martin Struck, Hela 1873 bis 1874
Martin Struck war der letzte Vogt von Hela und war noch bis 1897 und dann bis 1909 Gemeindevorsteher. Der Umstand, daß es mehr oder weniger dieselben Familien waren, aus welchen die Ämter besetzt wurden, sowie daß ein gewisses Fortschreiten inne gehalten wurde, so daß die Ratmänner meist aus Kirchenvätern, der Vogt und Bürgermeister aus den Ratmannen gewählt wurden, bewirkte, daß sich eine gewisse Tradition in Verwaltung und Rechtspflege ausbildete, welche, wie wir in einem späteren Abschnitt sehen werden, sehr segensreiche Einflüsse hat.
So vegetiert Hela weiter, von Danzig immer noch mannigfach beschränkt. So durfte es seinen Bedarf an Bier z. B. nur aus Danzig beziehen, welches beispielsweise im Jahr 1700 das nicht unbedeutende Quantum von 591 1/2 Tonnen betrug, im Jahr darauf 700 Tonnen. Unter dem 20. August 1735 sah sich der damalige Administrator Johann Wald von neuem veranlaßt, das Verbot des Ausschankes von Putziger Bier zu erneuern, nur dem Prediger ward „die Freiheit gegeben, von Putzig Bier zu nehmen, als er zu seiner Haushaltung benötigt". Das Land selbst zu besuchen und kennenzulernen, das ihrer Obhut anvertraut war, nahmen sich die Administratoren nunmehr kaum noch die Mühe. Als endlich wieder einmal 1752 der Administrator Friedrich Reiher zur Einweihung der neuen Orgel über Putzig zu Lande in Hela „arriviret", sogar nebst Familie, wurde er unter feuernden Kanönchen, auch Musik unter der „Ehrenport von Maien von unserem Rat und Bürgern empfangen", da in 103 Jahren „kein Administrator allhier gewesen." Ganz Hela war in größter Aufregung, jedoch brachte ihnen der Besuch außer den Kosten und den 6 Tonnen Bier, mit denen der Herr Administrator auf dem Kirchhof die Einwohner „delectiret", nichts ein.
Die Einwohnerzahl Helas ist nach den Kriegen ziemlich gleich geblieben. Sie betrug nach Ausweis des Kirchenbuches im Jahre 1704 in Hela 469 Einwohner, wozu noch 63 aus Danziger Heisternest kamen. Von diesen raffte im Jahre 1709 eine Große Seuche ein volles Drittel hinweg. Dieser Verlust war ein Jahrhundert später noch nicht eingeholt. Im Jahre 1800 gab es in Hela nur 350 Seelen, welche die Chronik folgendermaßen spezialisiret:
92 Männer, 95 Frauen, 22 Söhne über 10, 56 Söhne unter 10, 20 Töchter über 10, 37 Töchter unter 10 Jahren, Knechte und Dienstjungen keine, 12 Mägde und Marjellen. Unter ihnen sind Katholiken 3 Männer, 7 Frauen, 6 Mägde, Söhne und Töchter keine. Feuerstellen gab es 73. An Vieh waren vorhanden: 12 Kühe, 54 Schafe, 32 Lämmer und 22 Ferkel. Im Jahre 1772 erhob Friedrich der Große auf verschiedene Danziger Gebiete Anspruch, unter anderem auch auf Hela. Danzig ließ seine Ansprüche aber nicht fahren, und Preußen begnügte sich mit der Einsendung einzelner landesherrlicher Befehle, deren Nichtbefolgung nicht geahndet wurde. Nun nahm sich auch Danzig ausnahmsweise einmal des strittigen Ländchens an und sandte den Bewohnern von Hela im Jahre 1781, als großer Mangel sie drückte, auf Kosten der Stadt Danzig eine Unterstützung von zwei Last Roggen, dreißig Scheffel Erbsen, ebensoviel Buchweizen und 2 Tonnen Salz und ließ ihnen diese Wohltat noch einmal im Jahre 1783 zuteil werden.
Als endlich Danzig selbst in den sauren Apfel der „preußischen Abhängigkeit" beißen mußte, ward auch Hela preußisch. Am 4. April 1793 rückten die preußischen Truppen mit klingendem Spiele durch die 4 Stadttore in die Stadt Danzig ein. Am 7. Mai huldigte Danzig seinem neuen Herrscher, dem König Friedrich Wilhelm II. Am 26. April 1793 unterschrieben sämtliche Männer aus Hela und Danziger Heisternest beim Vogt in Hela für diesen die Vollmacht zur Huldigung. Sie lautete:
„Wir, sämtliche Einsaßen der Halbinsel und des Landes Hela und Heisternest constituieren und setzen unseren jetzigen Vogt George Hoffmeister und unseren Bürgermeister Gustav Grönwald zu unseren wahren und ungezweifelten Machthabern und ertheilen denselben die Vollmacht, in unserem Namen den 7. Mai dieses Jahres, um die höheren Orts zu bestimmende Stunde an demjenigen, wohin sie werden beschieden zu erscheinen, und für uns und sich, den ihnen vorgesagten Erbhuldigungseid an Seiner Königlichen Majestät von Preußen, unseren Allergnädigsten König und Herrn zu schwören und zu leisten und sonst insgemein alles und jedes dabei vorzunehmen, zu verrichten, zu tun und zu lassen, was ihnen in Ansehung der Huldigungsleistung höheren Ortes wird auferlegt werden, und wir selbst, wenn wir persönlich gegenwärtig wären, zu leisten vorzunehmen haben würden; wir geloben auch hiermit, was obgemeldete unsere Machthaber desfalls vornehmen werden, stets fest und genehm zu halten in alle zu kommende Zeiten. Zu mehrerer Beglaubigung dieser erteilten Vollmacht ist dieses mit unserem Stadtsiegel und eigenhändiger Unterzeichnung bekräftiget. So geschehen Hela den 26. April 1793.“
Das Stadtsiegel, welches der jetzige Gemeindevorsteher noch aufbewahrt, zeigt einen Petrus mit dem Schlüssel in der Hand. Daneben existiert noch ein kleineres Siegel, welches nur einen Schlüssel mit je einem Stern rechts und links zeigt. So ward Hela gut preußisch und ist es bis heute geblieben, behielt auch seine inneren Angelegenheiten, die alte Verfassung bei, bis daß es über die Stellung der helenser Stadtgemeinde zu einem Streit kam, den eine unter dem 17. Juli 1872 ergangene ministerielle Entscheidung dahin schlichtete, daß Hela als eine zu Recht bestehende Landgemeinde anzusehen sei. So wurde Hela wieder ein Fischerdorf, was es vor mehr als einem Jahrtausend gewesen war!
Wie die Zeit der Kriege lange Jahre geruht hatten, hatte Hela sich in dieser Zeit von den Drangsalen etwas erholt. Da brach wieder die unglückliche Zeit von 1806 bis 1807 und 1812 bis 1815 über Preußen und auch über Danzig herein. 1807 mußte Danzig die Drangsalen der Französischen Belagerung erdulden. Noch mehr im Jahre 1812, daß die Stadtobrigkeit von Danzig dem Kaiser Napoleon gegenüber sich beklagte mit den Worten:
„Herr, wir unterliegen der Last, die uns aufgebürdet wird."
Hela hatte bei diesen Kriegsverhältnissen nicht viel zu leiden. Aber in dieser Zeit war eine preußische Dragonerpatrouille durch französische Truppen abgeschnitten worden und von denselben verfolgt, daß die Patrouille auf die Halbinsel flüchten mußte und nach Hela kam. Da ihnen nun der Rückweg zu Lande nicht mehr möglich war, zwangen dieselben die Bewohner von Hela, ihnen mitsamt ihren Pferden durch Boote nach Danzig hinüber zu bringen, welches für die Helaer mit ihren Booten unmöglich war, denn die helaer Boote waren dazu viel zu klein. Zum Glück der Helaer wehte alle Tage ein großer Sturm von Südwest, daß es nicht möglich war, mit einem Boot sich auf See zu begeben, und die Überfahrt mußte aufgegeben werden, die helaer Boote blieben ausgerüstet zur Überfahrt am Strande liegen. Die französischen Truppen, welche aus Kosacken bestanden, verfolgten die Preußen bis auf die Halbinsel und die Bewohner der Halbinsel verrieten den Preußen, daß sie nach Hela geflüchtet waren. So kamen den 3. Tag in aller Frühe die Kosacken nach Hela, überfielen die Preußen beinahe alle schlafend, und nahmen sie gefangen. Da viele Bewohner der Halbinsel, größtenteils Heisternester, den französischen Truppen gefolgt waren, weil es Glaubensgenossen waren, wurden die Helaer von diesen Kaschuben, die auch Bewohner der Halbinsel waren, verraten, daß die Route zur Überfahrt der Preußen nach Danzig von den Bewohnern von Hela bereit gemacht waren und so ließ der Kommandoführer der französischen Truppen die ganze Ortschaft besetzen, daß keiner hinaus konnte und gab seinen Soldaten den Befehl, die ganze Ortschaft mit sämtlichen Booten in Brand zu setzen. So fing man an, zuerst die Boote zu verbrennen. Da begab sich der Pfarrer zu Hela zum Kommandoführer und bat für die Helaer, weil sie unschuldig an der ganzen Sache waren, sie zu verschonen. Der Kommandoführer ritt um den Ort herum und hörte auf die Bitte des Pfarrers nicht. Der Pfarrer ließ sich aber nicht abschrecken, warf sich vor dem Pferd des Kommandanten auf die Knie, und küßte demselben die Füße und bat um Gnade. Der Kommandant hielt sich aber sehr hart, stieß den Pfarrer mit den Füßen des Pferdes zur Erde und hörte gar nicht auf dessen Bitte. Der Pfarrer ließ aber mit seiner Bitte um Gnade nicht eher nach, bis sich der Kommandant erbitten ließ und seinen Soldaten den Befehl gab, das Feuer wieder auszulöschen. Er ließ im Walde bei Hela einen Lagerplatz machen und blieb längere Zeit in Hela und mußte von den Bewohnern von Hela verpflegt werden.
Bei dieser Gelegenheit wurden die Bewohner von den Soldaten schlecht und bösartig behandelt und machten stets ungebührliche Forderungen im Essen, wollten stets haben, was die helaer Bewohner nicht aufbringen konnten, dabei machten es die katholischen Bewohner der Halbinsel, überhaupt die Heisternester noch bösartiger, sie standen mit den Soldaten in Verbindung, plünderten die Häuser aus und nahmen alles, was sie finden konnten, den Helaern weg und brachten es zu sich nach Hause. Am gröbsten machte es der Fischer David Budda aus Heisternest. Derselbe nahm noch den preußischen Adler, welcher mitten auf der Straße angenagelt war, und hackte denselben in lauter Stücke, daß nichts von der hölzernen Tafel blieb, und sagte dabei, er wolle es mit den Preußen machen, wie er es mit dem Adler gemacht habe.
Es entstand infolge dieses Belagerungszustandes große Not in Hela und der Fischfang mußte ganz eingestellt werden. Aus dem Grunde, daß Hela keine Verbindung mit Danzig herstellen sollte, um so viel Fisch zum Essen zu bekommen, mußte heimlich nachts gefischt werden. Bei der Belagerung Danzigs mußten die Kauffahrtschiffe, welche von Danzig und Pillau herausgingen, unter dem Schutze der englischen Kriegsschiffe fahren, um nicht von den französischen Kaperschiffen überfallen zu werden. Bei dieser Gelegenheit hatten sich zwei Kaperschiffe von Danzig aus in See begeben, um des Nachts Schiffe zu kapern. Dieselben wurden von einem englischen Kriegsschiff verfolgt, und der Weg nach Danzig wurde ihnen abgeschnitten. Sie wußten sich auf keine Art zu helfen, als die Kaperfahrzeuge bei Hela auf den Strand zu setzen und im helaer Walde Schutz zu suchen. Da schickte das englische Kriegsschiff eine Barkasse mit bewaffneten Soldaten an Land, die Seeräuber zu verfolgen und festzunehmen. Die letzteren hatten sich aber hinter den Stranddünen versteckt und schossen gegen die landenden englischen Soldaten und töteten und verwundeten mehrere von ihnen, so daß die Barkasse wieder zum Kriegsschiff zurück mußte, welches auf See hielt. Da kam das Kriegsschiff ganz nahe vor Hela, setzte die rote Flagge und fing an, auf die Ortschaft Hela zu schießen, worauf die Bewohner von Hela in den Wald flüchteten. Am zweiten Tag kam ein Boot vom Kriegsschiff nach Land und gab einen Brief ab mit dem Befehl, die Bewohner von Hela sollten die Fahrzeuge der Seeräuber vom Lande bringen und das fremde Kriegsvolk ausliefern, wenn nicht, so wollte er den ganzen Ort in einen Aschehaufen verwandeln. Da sandte der Pfarrer von Hela einen Bittbrief an den Kommandanten des Kriegsschiffes, daß es unmöglich wäre, seinem Befehl zu genügen, sie wären ohne Waffen und zu schwach und seien überhaupt ganz unschuldig an der ganzen Sache. Der Kommandant möge mit dem fremden Kriegsvolk machen, was er könnte, er möge sich erbitten lassen und den Ort und die Bewohner verschonen. Die Frau des Kommandanten hatte vom Schiff aus zugesehen, wie helaer Frauen mit ihren Kindern auf dem Nacken in den Wald flüchteten, welches ihr sehr leid getan hatte, und ihren Mann auch für die Helaer gebeten, sie um der Kinder Willen zu verschonen. Darauf hatte der Kommandant das Bombardement eingestellt und ein großes Boot mit Geschützen und bewaffneten Mannschaften an Land geschickt und die Kaperschiffe in lauter Stücke zerschießen lassen. Darauf war das fremde Kriegsvolk zu Fuß ums Land nach Danzig abgegangen. So kamen die Bewohner dieses mal mit einem bloßen Schrecken davon. Dieses hatte in den Kriegsjahren von 1806 bis 1812 stattgefunden.
Helas Bauwerke
Geschichte der Bauwerke
Wie in jedem Ort die Bauwerke gewissermaßen geschichtliche Urkunden sind, können wir auch aus den einzelnen Bauwerken Helas ein gut Teil Geschichte studieren. Leider sind viele dieser steinernen Urkunden untergegangen, von dem ganzen Ort Alt-Hela ist nicht eine Spur übriggeblieben. Aber desto lauter und deutlicher reden die stehengebliebenen Zeugen der Vergangenheit zu unserem Herzen. Doch auch mit den nicht mehr vorhandenen Bauwerken werden wir uns kurz zu beschäftigen haben.
Alt-Hela
Es ist verwunderbar, daß ein Ort in so abgelegener Gegend so gänzlich vom Erdboden verschwinden kann, wie dieses mit Alt-Hela der Fall ist. Nicht ganz eine viertel Meile vom heutigen Hela entfernt, auch am kleinen, dem Festlande zugewendeten Strande, unweit des sogenannten „Alten Hakens", finden wir heute noch auf den Generalstabskarten die Bezeichnung „Stelle des alten Hela". Aber das ist auch alles. Der Wanderer, der am Strand entlang geht oder der den durch die Mitte der Halbinsel führenden Fahrweg verfolgt, schreitet achtlos hinweg über diese Stätten einer interessanten historischen Vergangenheit. Denn keine Ruine, kein noch so kleiner Trümmerhaufen, kein Gemäuer, kein Inschriftenstein mahnt sein Auge, daß hier sich einst durch Jahrhunderte der Wohnsitz einer emsigen Bevölkerung befunden habe. Es ist alles vom Winde verweht, vom Sand verschüttet, vom Gestrüpp überwuchert. So haben wir nicht den geringsten Anhalt, wie wir uns die Anlage des alten Hela zu denken haben, wo seine Straßen und Plätze, sein Rathaus und die anderen öffentlichen Bauten gestanden haben. Nur über die Kirche haben wir einige dürftige Nachrichten, da ihre Trümmer noch im Jahre 1705 gestanden haben, wovon Prätorius noch berichtet:
"Die alte Kirche, welche das 15. und 16. Jahrhundert den schönen Namen Liebfrauenkirche führt, soll 3 Jungfern, der Sage nach, so daselbst gestrandet, und sich salviret, zu ersten Stiftern haben. Am 25. Juni 1705 bin ich, Eyfrauin Prätorius, auch nach Alt-Hela zur See hingefahren, nebst dem Vogt, dem Bürgermeister und meinem Bruder und haben noch die alte Kirche besehen. Sie ist von den Schweden ruiniert und die Glocken herausgenommen worden. Dies mag ja richtig sein, doch werden wir vor allem annehmen müssen, daß schon vor dieser Ruinieung durch die Schweden die Kirche durch den großen Brand, welcher im Jahre 1572 ganz Alt-Hela vernichtete, zerstört worden ist oder zum wenigsten sehr gelitten hat."
Freilich müssen zu Prätorius Zeiten wenigstens die vier Grundmauern noch so ziemlich gestanden haben, da er weiter berichtet:
„An der Ostseite stehen diese Worte angeschrieben: 1571 Michel Tuba. Von außen an der Ostseite, ganz oben, sieht man drei sonderliche mit Fleiß ‘extirte’ Löcher, just so groß, daß in jedem etwa ein Menschenkopf Raum hat. Davon ist die alte Sage, daß die Köpfe oder Hirnschädel der drei Jungfrauen, so diese Kirche fundiret und hier begraben worden, nachdem sie sonst verfaulet und verweset, in diese Mauerlöcher verwahrlich hingesetzt worden, auch von sehr alten Leuten, die noch vor wenig Jahren verstorben, noch gesehen worden. Jetzt aber sind die Knochen schon nicht mehr daselbst vorhanden, sondern vermutlich nach und nach herausgefallen. Solches hat mir der Vogt, ein Mann von Jahren, und dazu auch aus Hela gebürtig, namens Daniel Meyer, versichert, daß es gewiß wahr sei."
Seit jener Zeit, aus der diese Beschreibung stammt, sind nun wieder fast zwei Jahrhunderte vergangen, und von Alt-Hela und seiner Liebfrauenkirche ist jetzt keine Spur mehr zu sehen, nur die Grundsteine des Fundaments liegen noch unter Moos und Gesträucher verborgen.
Neu-Hela
In der Mitte des 15. Jahrhunderts hören wir zum ersten mal in Urkunden von der Existenz eines zweiten Hela, eines Ortes, der sich näher an der Südspitze der Halbinsel, und zwar vermutlich an der Stelle, auf der heute Hela steht, erhob. Wir besitzen keine Nachrichten über die Entstehung dieses Ortes. Möglicherweise hat es schon existiert, als auch Alt-Hela noch nicht aus dem Dunkel der vorgeschichtlichen Zeit emporgetaucht war, möglicherweise ist es auch nur eine Vorstadt, als ein rasch wachsender Ausbau der alten Stadt zu betrachten. Immerhin hat er eine ehrwürdige Vergangenheit, da er, wie wir sehen werden, schon 1431 eine Kirche besaß. Rasch, so scheint es, hat das neue Hela die alte Stadt überflügelt. Freilich standen beide unter einer Verwaltung und es war eine und dieselbe Stadtgemeinde, die in den beiden verschiedenen Orten wohnte.
Geliebter Leser, kennst du dieses Land? Nicht dasjenige, „wo die Zitronen blühen, im dunkeln Laub die Goldorangen glühen", sondern die Halbinsel Hela, die sich wie ein Füllhorn fünf Meilen weit in die Fluten der Ostsee hineinschiebt und die Danziger Bucht bildet.
Vom Land Hela hat es niemand unternommen zu singen: „Seht das Land in üppiger Fülle, goldene Saaten in den Feldern, auf den Bergen edler Wein". Das Land Hela ist ein deutsches „Thule", dem aber doch jede Verherrlichung fehlt. Darum wird das arme Hela, von der reichen See- und Handelsstadt Danzig, zu dessen Territorium es gehört, über die Achsel angesehen. Aber wo gilt ein Prophet etwas in seinem Land? Nur zu Nutzen der Fremden, welche diesen Landhaken in der Ostsee nur aus der Landkarte kennen und welche nicht ahnen, daß in der Ostsee hinter der Danziger Bucht auch noch Menschen wohnen, will ich versuchen, eine Schilderung von Land und Leuten Helas zu geben, nämlich von Hela, dessen Bewohnern, seinen Stürmen, seinem weißen Sande und seiner thulischen Abgeschlossenheit. Dem Historiker, welcher sich in Hela Urkunden verschaffen wollte, würde ich zurufen: Fordere niemand mein Schicksal zu hören, dem sein Leben wonnevoll winkt. Wer sich nach Hela begeben will, kann auf zwei Wegen dorthin gelangen. Entweder mit dem Dampfboote von Danzig aus, oder er fährt mit einem Fischerboot aus Neufahrwasser ab und befiehlt Gott seine Seele, denn man fährt die 3 1/4 Meile nicht immer bei ruhiger See in 3 bis 4 Stunden, sondern auch manchmal das Doppelte der Zeit, da die Ostsee auch ihre Mucken und Launen hat. Dafür ist sie ein Feminimum. Oder man läßt sich via Putzig per Achse den 6 Meilen weiten Weg der sandigen Halbinsel entlangbugsieren, doch mit Vergnügen hat das noch keiner getan, und es wäre gut, wenn vor der Halbinsel eine Tafel hingestellt würde mit den Worten:
„Wer hier eintritt, der nehme sich Essen und Trinken mit, denn die Reise geht durch arme Fischerdörfer.“
In Hela angekommen. Am Eingange des Ortes steht eine Tafel mit der Aufschrift: "Stadt Hela". Wer dieses liest, dem mag es sehr auffallend vorkommen. Da die Behörde, die eine Straße, aus welcher der Ort besteht, Dorf Hela nennen, während die Helenser dagegen opponieren, und doch Stadt Hela genannt werden kann. Dafür ist ein Beweis da. ln Hela heißen die Einwohner Bürger und Fischer, diesen Titel gibt ihnen das Kirchenbuch von alters her, auch das Putziger Gericht hat stets geschrieben:
„An den Bürger und Fischer N. N. - Vogt, Bürgermeister, Ratleute und Bürger finden sich aber nur in einer Stadt, also ist Hela eine Stadt.“
Als sich im 16. Jahrhundert der Wohlstand Helas infolge der vielen Kriege erheblich verringerte und gleichzeitig die Zahl der Bürgerschaft abnahm, scheint Alt-Hela mehr gelitten zu haben als Neu-Hela. Letzteres wuchs mehr und mehr, indes Alt-Hela verfiel. Der große Brand von 1572 und ein feindliches Bombardement vollendeten das Zerstörungswerk. So blieb Neu-Hela Siegerin. Die Trümmer der alten Stadt sind größtenteils zu Bauten in Neu-Hela verwendet worden. Es ist dies in der Tat anzunehmen, da bei der fast gänzlich steinlosen Formation der Halbinsel diejenigen Überreste Alt-Helas, welche dem Feuer widerstanden hatten, wertvolle Baumaterialien blieben. Auch läßt sich wohl nur durch solche Maßregeln Alt-Helas gänzliches Verschwinden vom Erdboden erklären.
Die Anlage Neu-Hela und die Bauart der Häuser ist vermutlich vor 400 Jahren fast dieselbe gewesen, wie sie heute ist. Auf der Danziger Stadtbibliothek befindet sich die im Jahre 1808 angefertigte Kopie eines alten Planes von Hela, der mit der Unterschrift „A. 1670. 31. Juli. Paul Weller" versehen ist. Dieser Plan könnte noch heute, nach mehr als 200 Jahren jedem, der Hela besucht, zur Orientierung dienen. Wir sehen aus demselben, das damals genau wie noch heute, die ganze Ortschaft aus einer einzigen langen, von Nord nach Süd führenden geraden Straße bestand. Der Ort Hela besteht aus zwei Reihen einstöckiger Häuschen, die alle nach einer Schablone gebaut sind. Tritt man in ein Haus ein, so findet man einen großen Flur. An den Wänden sind Gestelle mit bunten Töpfen und Tellern, die die Helenser, die alle in ihrer Jugend auf Schiffen zur See fahren, von ihren Reisen mitbringen. Rechts befindet sich eine kleine Stube, das Altenteil, in der die Eltern des Fischers wohnen, der Haustüre gegenüber ein größeres Zimmer, das Wohn- und Schlafzimmer der Fischerfamilie. Am Eingang des Orts liegt rechterhand das Pfarrhaus, welches sich von der Bauart der anderen Häuser auszeichnet. Es ist ein einstöckiger, gemütlicher, alter Bau, an der Friedhofsseite von Weinreben umrankt und von Fliederbüschen halb verdeckt. Nach der Straße zu ist ein Anbau neuerer Zeit, in der sich gewöhnlich die Studierstube der Pastoren befindet. Aus der Wohnstube und deren breiten Fenstern, hat man einen herrlichen Blick auf das Meer, aber der große dunkle Hausflur mit seinen alten Schränken und Truhen, besonders wenn an Winterabenden die mächtigen Holzscheiten in den großen Öfen prasseln, übt auf die Kinder einen geheimen Schauer, und sie müssen an all die alten Märchen von feuerspeienden Drachen und Zauberern denken. Hinter dem Hause ist ein Gärtchen mit einigen Sträuchern und einem Apfelbaum, die schönste Zierde des Gartens bilden aber zwei alte Pappelbäume, die durch ihr Rauschen an stürmischen Tagen das Konzert, welches das Brausen des Meeres vollführt, vervollständigen. Dieses Wehen steigert sich aber in Herbst und Winter zum Orkan und es gibt ein Brausen und Heulen in der Luft, so daß man meint, die wilde Jagd mit ihrem ganzen Heer zöge vorüber.
Dann folgt das Schulhaus, ein schmuckloser Ziegelbau. Zwischen der Schule und dem Pfarrhaus mitten auf dem Friedhof liegt die Kirche, im Sommer 1888 umgebaut. Derselben ist bei ihrer Renovierung auch in Form eines Dachreiters ein Turm aufgesetzt worden. Vom Schulhaus gesehen bietet die Straße einen originellen Anblick. Ein Haus gleicht dem anderen fast genau, alle haben nur ein Stockwerk und sind mit den Giebeln nach der Straße zu gerichtet. Die Straße selbst ist nicht gepflastert, nur mit Sand. Um fester zu halten und einen festen Boden zu gewinnen, ist der Sand mit Lehm gemischt. Mitten auf der Straße stehen den ganzen Ort entlang die Holzgestelle zum Fischtrocknen, die sogenannten Wiemen. Unter diesen Wiemen sproß lustig das Gras, willkommene Nahrung für die Enten und Hühner, die sich auf der Straße tummeln um die Wette mit der flachshaarigen Kinderschar. Ein dänischer Graf, der eines Sonntags mit dem Vergnügungsdampfer nach Hela kam, hielt die Wiemen für Turngerüste und die Helenser für eine Kolonne von Turnern und rief daher jedem der Helenser ein „Gut Heil" zu. Er schwang sich daran hinauf und wollte die Rückenwelle schlagen, aber sie zerbrach und unser Graf lag im Grase. Darum: Wer nach Hela kommt, der lasse die Wiemen in Ruhe, selbst wenn du zum Turnverein gehören solltest.
Die Mitte der Straße und des Ortes bezeichnet der alte hölzerne Glockenturm, 1752 erbaut, der 1869 von einigen prächtigen Linden umrauscht wird. Diese sind auch zur Beschattung des Orts ältestes gastliche Dach, „Gasthaus zur Löwengrube", eine Grube, in welcher hineinzufallen der Fremde nicht zu scheuen braucht, denn er ist gut aufgehoben in der Pflege des „alten Dörks und seiner flinken Töchterlein". Bis 1888 hingen im Glockenturm zwei Glocken, welche an Sonn- und Feiertagen rechts und links die Straße hinauf die Bürger zur Andacht riefen. Jetzt sind beide im kleinen Kirchturm aufgehängt, und die eine, die früher auf dem Kirchturm hing, hängt jetzt im Glockenturm und läßt nur noch in Ausnahmefällen ihren ehernen Mund ertönen. Von den Bauwerken interessiert vor allem die Kirche, über deren Geschichte noch einiges nachzusehen ist. Ein Stein mit einer Jahreszahl versehen hat allen, die sich mit der Geschichte der Kirche Helas beschäftigt haben, großes Kopfzerbrechen verursacht. Zuerst hat Prätorius darüber berichtet:
„Christian Gillmeister, welcher vor einigen Jahren, als die Kirche renoviert worden, Prediger dieses Ortes gewesen, hat folgendes in das Kirchenbuch eingeschrieben: ‘Den 28. November 1670 habe ich eine Leiter in der Spitze von West gegen Ost auf den großen Boden gesetzt und die Jahreszahl der Kirche mit brennendem Licht gefunden, so gewesen 1142. Hat also die Kirche bisher gestanden 528 Jahre. Wäre bis jetzt (1707) 565 Jahr. Und weil das eine sehr merkliche Sache ist, bin ich, Ephraim Prätorius 1705 den 24. Juni sonst bloß dieser Sache halber, ihrer Wahrheit halber selbst in Augenschein zu nehmen, persönlich über See nach Hela gereist und bin auch selbigen Tages, war dies Joh. Baptistae Nachmittags vor vier auf einer hohen Leiter selbst persönlich hinaufgestiegen, da ich dann befunden, daß es allerdings wahr sei, daß in einem eingemauerten Stein recht wohl kenntlich und deutlich diese Jahreszahl steht 1142. Der Stein ist etwa drei Schuhe lang und ein Schuh breit.“
Es steht auf der inneren Vorderseite des Einbands des ältesten Kirchenbuchs:
"Anno 1142 ist die helaische Kirche gebaut oder vielmehr fertig geworden, es steht die Jahreszahl ganz oben in der Mauer auf dem Boden in der Mitte auf der Westseiten."
Karl Girth (1890) hält dies für fraglich, daß die Kirche 1142 erbaut worden sei, da die älteste Kirche in Danzig, die Katharinenkirche, erst 1185 erbaut worden ist. Da daß einmal die Urkunden bekunden, müssen wir auch annehmen, daß auf Hela 45 Jahr eher als in Danzig die Kirche gebaut worden ist, weil eine solche Kirche wie in Hela, welche bedeutend viel kleiner ist als die in Danzig, auch eher gebaut werden könnte. Die auf Alt-Hela ist nach den alten Schriften im Jahre 1130 erbaut worden. Der vorhandene Bau der Kirche zu Neu-Hela stammt aus verschiedenen Zeiten und ist ganz in Ziegeln ausgeführt. Das Äußere der Kirche ist ganz einfach, mit Strebpfeilern umgeben, die Fenster sind spitzbogig. Der Turm ist Fachwerk gebaut und massiv verblendet, und man genießt von demselben eine schöne Aussicht auf die Ortschaft und die See. Das Innere ist durch hölzerne Pfeiler in drei Schiffe abgeteilt. Der reich vergoldete und mit zierlichem Schnitzwerk versehene Hochaltar trägt die Jahreszahl 1647, in welchem Jahr ihn der Bürgermeister Adrian von der Linde hat verfertigen lassen, für 300 Taler aus dem Kirchenvermögen der Kirche zu Hela. 1653 ist auch für die Kirche die erste Orgel gekauft worden und hat über der Sakristei gestanden, welche 500 Gulden gekostet. Im Jahre 1752 wurde diese Orgel vom Administrator Friedrich Reiher verkauft und eine neue in der Kirche angeschafft, welche 5000 Gulden gekostet. Dieselbe wurde auf dem Westende der Kirche angebracht. Es wurde auch in dem Jahr 1752 der Glockenturm, welcher mit auf der Straße steht, aufgeführt und zwei Glocken darin aufgehangen, welche bis 1888 drin gewesen sind und dann auf den neuen Kirchturm aufgebracht wurden. Die beiden Glocken tragen die Jahreszahl die große 1642, die andere 1778. Die, welche immer auf dem Kirchturm gehangen hat, ist 1631 von vier Bürgern zu Hela auf ihre eigenen Kosten gegossen worden und 1632 auf den Kirchturm aufgebracht worden. Im Jahre 1732 wurde auf Anordnung des Administrators Abraham Groddeck der Turm auf dem Westende der Kirche angebaut, wozu die Steine von den Mauern der Kirche zu Alt-Hela dazu benutzt wurden, wie man aus folgender Notiz in geschriebener Chronik ersehen kann. Dort steht beim 21. April Anno 1732:
"Haben die Maurer Gesellen, welche vom hochedlen H. Administrator Sr. Herrl. H. Abraham Groddeck herausgeschickt wurden, bei Alt-Hela die schon längst gewesene Kirchenmauer abzubrechen angefangen und von deren Ziegeln eine neue Kirchenmauer bei uns auf Hela, westwärts aufgebaut und oben auf der Mauer einen neuen Turm setzen und den alten Turm, ostwärts gestanden, abbrechen lassen, in welchem früher das Leuchtfeuer für die Schiffe gebrannt hat. Der alte Turm ist zwei Schoß höher gewesen als der neue, auswendig mit Blei beschlagen, oben nach der Spitze sind acht gläserne Fenster gewesen und inwendig mit Messing beschlagen, weil darauf geblieset worden ist.“
Prätorius hat berichtet:
„Der Turm ist 116, 5 Schuh hoch und oben quadrat und zehn Schuhe breit, hat ringsum Fenster und ist eine Leuchte gewesen für den Seefahrenden.“
Nächst der Kirche erweckt der Leuchtturm das Interesse. Wenn man an einem klaren Abend vor dem Kurhaus des Badeorts Zoppot steht und läßt seine Augen hinausschweifen auf die wogende See, so gewahrt man weit draußen in dunstiger Ferne, dort wo das dunkle Meer sich dem dunklen Himmel zu einen scheint, das Aufblitzen eines Lichtes. Dasselbe wird schnell heller und ebenso schnell verschwindet dasselbe wieder. Eine halbe Minute kaum hat die Erscheinung gewährt, nach einer halben Minute kehrt es wieder. Man sieht das Drehfeuer des Leuchtturmes von Hela. Es ist ein eigentümliches Gefühl, welches der Anblick eines Leuchtfeuers in uns erweckt. Wir sagen uns, daß jenes Licht, von pflichttreuen Menschen entzündet und auf den dunklen Pfaden der Wasserwüste leuchtet und daß durch jenes Licht gesorgt sei für diejenigen unserer Mitmenschen, welche der Beruf das Schicksal veranlaßt, den Kampf aufzunehmen mit dem allgewaltigen Poseidon. Eine gewisse Sehnsucht erfüllt uns auch, einen Blick zu tun in jenes Reich des Lichtes, einen Augenblick zu beobachten die kreisende Laterne und das stille Schalten des Mannes, der dort in einsamer Höhe haust und von dessen Pflichttreue und Wachsamkeit das Heil und das Leben von Hunderten abhängt. Es ist etwas Besonderes mit dem Lichte des helenser Leuchtturms. Dort liegt an der Spitze der Halbinsel zu den Füßen des Leuchtturms ein Ort von einer historischen Vergangenheit, dort wohnt ein Menschenschlag, so seltsam und eigenartig, wie nur sonst in wenigen Gegenden des deutschen Vaterlandes. Wann man zuerst auf den Gedanken gekommen sein mag, auf dieser den Schiffen gar oft gefährlichen Landspitze eine Leuchte anzuzünden, die den vorbeisegelnden Schiffen den Weg weisen sollte, ist uns nicht überliefert. Wir wissen nur, daß noch im 17. Jahrhundert auf dem Turm der Kirche in Hela eine Art Leuchtfeuer angezündet worden ist, das uns von Alters her für die Seefahrenden des Nachts eine Leuchte gewesen. Noch im 17. Jahrhundert gab man diese Art des Leuchtfeuers auf und errichtete an einer etwa 500 Schritt südlich von den letzten Häusern Helas eine sogenannte Bliese. Dieselbe ist auch auf einem Plan von 1670 verzeichnet und bestand aus einem hohen Galgen, an welchem ein Kessel hing, in dem durch Pech und Kohlen während der Dunkelheit ein Feuer unterhalten wurde. Für damalige Verhältnisse muß dieses Leuchtfeuer eine große Merkwürdigkeit gewesen sein, da am 25. September 1678 König Johann III. von Polen in kostbarer geschmückter Jacht eigens zum Zwecke der Besichtigung des Leuchtfeuers einen kurzen Besuch in Hela abstattete, worüber die guten Helaer einigermaßen in Besorgnis und Aufregung gerieten. Unter dem 31. Oktober 1702 erzählt das Kirchenbuch von einem großen Sturm, der auch das Pfarrhaus abgedeckt, und sagt:
„Die Bliese, ob sie gleich neu, stark und fest, hat doch der Wind totalitär ruiniert, so daß am Morgen niemand sie zu sehen bekam.“
Über die neu errichtete Bliese berichtet Prätorius:
„Das Feuer wird von Steinkohle angemacht und in große, starke, eiserne, gegitterte Behältnisse oder Kessel, so in der Luft hangen, gelegt.“
Erhalten wurde die Bliese von der Stadt Danzig. Nachdem 1763 wieder eine Neue hatte errichtet werden müssen, die auch nur 27 Jahre im Dienst war, begann im Sommer 1790 der Bau der letzten, die dann erst durch den Leuchtturm abgelöst wurde. Die Chronik berichtet das Fortschreiten des Baues in folgenden Daten:
10. August. Haben die Zimmerleute die Schwellen zur Bliese gelegt und begraben.
11. August. Die Richtbäume aufgerichtet, eine gefährliche Arbeit.
12. August. Die zwei westlichen Hauptpfosten zugleich aufgerichtet.
13. August. Die zwei östlichen Hauptpfosten zugleich aufgerichtet.
14. August. Den Schwengel aufgebracht.
20. August. Haben den Kessel an die neue Bliese aufgehangen, die neue Stange bog sich im Aufwinden. Als sie ihn wollten niederlassen, brach die eiserne Stang, und der Kessel fiel von oben herab. Der Schwengel hatte beinahe den einen Zimmermann Adam Fliegel erschlagen.
1. September. Auf den Abend ist die neue Bliese zum ersten Mal von Karl Ernst Golchen (Schiffszimmergesell zu Danzig als bestellter Bliesenwärter) angefeuert worden.
Der heutige Leuchtturm steht nicht genau an der Stelle der alten Bliese, sondern dicht an der Außendüne. Der Bau ward in den ersten Jahren 1800 bis 1806 begonnen, während der Kriege unterbrochen und erst nach den Freiheitskriegen 1815 wieder aufgenommen. 1826 ist der Leuchtturm fertig geworden und 1827, den 1. Januar ist sein Feuer zum ersten Mal angesteckt worden. Willst Du nun einen Spaziergang vom Ort Hela dorthin machen, so mußt Du zuerst durch tiefen Sand gehen, bis Dich der Wald in seinen schönen Hallen aufnimmt, nach einer kurzen Wanderung auf weichem Moosboden gelangt man auf eine grüne Wiese, die mit hohen Birken bestanden ist und aus deren Mitte sich der Leuchtturm erhebt. Es ist ein stattlicher massiver, runder Turm, viele Wendeltreppen hat man zu erklimmen, einhundertundachtzig Stufen, um bis zu den Laternen zu gelangen, man wird aber für die Mühe durch eine entzückende Fernsicht belohnt. Es ist ein großartiger Anblick, den man von dort genießt, man sieht weit, weit über das Meer, zu beiden Seiten der Halbinsel wogt die See. Zur Linken die Bucht mit ihren kurzen Wellen, am Horizont durch das Festland begrenzt, von dem im Westen die hohe Kirche von Putzig, im Süden Danzigs Türme sich in nebliger Ferne vom Himmel abheben, zur Rechten die weite, unbegrenzte Fläche der offenen See, deren langgestreckte Wogen ruhig und majestätisch heranrollen, um am weißen, sonnenglänzenden Strande in buntschillernder Brandung zu brechen. Man versteht hier so recht die Worte des Dichters Grün, wenn er ausruft:
„Unermeßlich und unendlich glänzend, ruhig, ahnungsschwer, liegst du vor mir ausgebreitet, altes, heiliges, ewiges Meer.“
Ja, schön ist das Meer in seiner Ruhe, wenn das blaue Auge des Himmels in das blaue Auge des Meeres blickt. Bei einem solchen Naturschauspiel fühlt man so recht seine Ohnmacht im Gegensatz zu Gottes Allmacht. Auf eine kleine Meile Entfernung grüßt über das dunkle Waldesgrün herüber der Heisternester Leuchtturm. Die Laternen beider Türme befinden sich in gleicher Höhe von 120 Fuß über dem Meeresspiegel, beide Türme tragen Drehfeuer, natürlich verschiedener Art. Das helenser Leuchtfeuer besteht aus 6 kreisförmig gestellten Lampen mit neusilbernen Hohlspiegeln dahinter, welche durch ein untergebrachtes Uhrwerk in Bewegung gesetzt werden, so daß dem beobachtenden Schiffer das Licht stets auf eine halbe Minute sichtbar wird, um dann auf eine halbe Minute zu verschwinden. Das Heisternester Feuer besteht aus einer Lampe mit zwei Brennern und ist von einer Prismenlaterne umgeben, welche die Lichtstrahlen auf das Meer hinauswirft. Um diese unbewegliche Konstruktion drehen sich, durch ein Uhrwerk getrieben, drei Prismen innerhalb sechs Minuten einmal herum, daß drei Mal in sechs Minuten das starke Licht in das Dunkel hineinscheint. Der Umstand, daß beide Feuer Drehfeuer sind, hat schon wiederholt ausländische Kapitäne den Heisternester für den helaer Turm halten lassen und nach vermeintlicher Passierung der helaer Spitze direkt auf den Hafen von Danzig steuernd, ihr Schiff zwischen beiden Leuchttürmen auf den Strand gesetzt.
Den Dienst tun bei beiden Türmen je zwei Leuchtturmwärter, die sich um Mitternacht ablösen. Es müssen pflichttreue, zuverlässige Männer sein, denn in ihrer Hand liegt oft das Leben von Hunderten von Menschen. Ihre Wohnungen befinden sich am Fuße des Leuchtturms. Um auch bei Nebel und Schnee die Schiffer vor der Nähe des Landes zu warnen, liegt unweit Hela eine Heulboje verankert, welche bei jeder Bewegung des Meeres fortwährend ihren klagenden Ruf erschallen läßt. Endlich steht am Außenstrande der Rettungsschuppen der Station Hela des „Deutschen Verein zur Rettung Schiffbrüchiger ", mit einem Rettungsboot, nach dem Modell der helaer Fischerboote und ein Raketengerät, die Schiffbrüchigen durch einen Rettungskorb aus dem wracken Schiff über die tosende Flut aufs sichere Land zu bringen.
Die Bevölkerung Helas
Der Ort Hela hat selbst durchschnittlich 420 Einwohner und besteht aus zwei Reihen einstöckigen Häuschen, die alle nach einer Schablone gebaut sind. Wenn man eintritt, ein großer Flur, an den Wänden sind Gestelle mit bunten Tellern und Töpfen, die die Helenser, die alle in ihrer Jugend zur See fahren, von ihren Reisen mitbringen. Rechts befindet sich eine kleine Stube, das Altenteil, in der die Eltern des Fischers wohnen. Der Haustüre gegenüber ein größeres Zimmer, das Wohn- und Schlafzimmer der Fischerfamilie. Im Halbkreis wird das Dorf von einem Walde von Fichten umgeben, und der erstreckt sich dann bis zwei Meilen hinaus nach Danziger Heisternest. Die Häuser der Ostseite haben etwas Land hinter sich, das mit Kartoffeln besetzt wird. Diese paar kleinen Äckerchen kämpfen stets mit dem Flugsand um ihr Dasein. In jeder Hälfte der Straße steht noch ein mächtiger Ziehbrunnen, wie man sie heute noch selten sieht. Sie liefern ein etwas gelbbräunliches Wasser, doch schmeckt es nicht brakig. Die Reinlichkeitsliebe der Helenser erhält das Wasser gut. Die Häuser sind sämtlich in Fachwerk erbaut. Sie machen trotz ihrer Niedrigkeit einen freundlichen Eindruck. Sie werden stets frisch abgeputzt. Das Holz stets schwarz gestrichen, kein Verfall, kein Abbröckeln wird geduldet sondern alles in tüchtigem Zustand erhalten. Auch im Innern herrscht Sauberkeit, die ungestrichenen Dielen sind weiß wie Schnee und mit feinem weißen Sand bestreut, alles im Hausflur aufgehängte Geschirr funkelt vor Sauberkeit. Der Hausflur ist im Sommer der Aufenthalt für die Familie. Hier spinnt die Frau das Garn, hier flickt der Mann die Netze, hier werden die Mahlzeiten gehalten. Die obere Hälfte der Haustür steht immer offen, um Licht und Luft in den Flur gelangen zu lassen, daneben im Hausflur befindet sich eine Kammer und ein Kochraum. Über diesen erhebt sich in großer Breite, um die Menge der Fische zum Räuchern aufzunehmen, der Rauchfang, sich nach oben verengend. Diese Schornsteine mit ihrem weißen Anputz tragen sehr zu dem eigenartigen Anblick der Ortschaft bei. Die Häuser stehen nicht dicht aneinander, sondern lassen einen schmalen Weg frei, der bei der einen Häuserreihe zum Walde führt. Hinter dem Walde erheben sich die Dünen in wunderbarer Bildung und öfters in beträchtlicher Höhe, am Strand gibt es Sand, auch schwarzblauen Streusand, Seegras oder Wasserriemen, Weichtiere, Haarquallen und Muscheln. Im Walde sieht uns das Isländische Rentiermoos traurig an. Es gibt auch Insekten, Graswespen, Libellen, Heuschrecken, auch Ottern, Frösche und Kröten, aber keine Quellen und keine Bäche. Aber die vielen und schönen Exemplare von Heidekraut und die schmackhaften Fische aus erster Hand versöhnen die nach Hela verschlagenen Menschen einigermaßen auf dieser Sandscholle ihren Entbehrungen, so da sind Aal, Lachs, Hering, Steinbutt, Dorsch (Pomuchel) und Breitling. Wild gibt es außer vereinzelten Hasen nicht. Es nisten auch keine Singvögel, man erblickt sie aber häufig vorüberziehend auf der Halbinsel, der Buchfink freilich, die Lerche und die Bachstelze lassen sich blicken.
Dagegen ist der Strand reich bevölkert mit Seevögeln aller Art. Mehrere Arten Möwen, die geschossen werden oder in einer Art Sprengel, sogenannte Klipsen, „Tchlepse", gefangen werden, ihr sehr zarter Flaum wird als Bettfeder verwandt, und das Fleisch von den Helensern als Leckerbissen verzehrt. Auch das Krähenfleisch ist von den Bewohnern sehr beliebt. Im Winter wird den Schwärmen der wilden Enten eifrig nachgestellt. Nicht bloß mit Flinten, sondern auch mit feinen Netzen, welche unter der Wasseroberfläche ausgespannt werden. Beim Tauchen nach Nahrung stecken dieselben Kopf und Flügel in die Maschen und verwickeln sich, so daß sie nicht mehr entkommen können.
Im Frühjahr kommen auch Schwärme von wilden Schwänen vorübergezogen und lassen sich bisweilen auf See nieder, um auszuruhen und erheben einen ganz eigentümlichen Gesang, der in der Ferne wie Glockengetön klingt. Die Helenser stellen ihnen nach. Gelingt es ihnen, einen zu erlegen, verzehren sie ihr Fleisch und gebrauchen ihre Federn. Auch zahlreiche Arten gefiederter Sänger machen auf Hela im Frühjahr ihre Ruhepause, und viele der prachtvoll gefiederten Tiere finden, wenn sie des Nachts ziehen, an den Fensterscheiben des Leuchtturms, hinter welchen das blendende Licht sie lockt, ihr jähes Ende.
Vieh gibt es wenig auf Hela, zehn bis 13 Kühe, auch bisweilen ein Pferd, auch etliche Ziegen und Schafe, Schweine werden nur im Herbst zum Anfüttern gekauft, um sie zum Winter zum eigenen Bedarf zu schlachten.
Seltsam wie das Land ist auch der Menschenschlag, der die Halbinsel bewohnt. Zwei Nationalitäten treffen auf dem schmalen Stückchen Erde aufeinander, die geistige und sittliche Veranlagung ist bei beiden Stämmen so verschieden, daß von einem Aufhören des Gegensatzes, von einer Vermischung nicht die Rede sein kann und wird. In den Ortschaften Ceynowa, Kußfeld und Heisternest wohnen fast nur Kaschuben, anders ist es in Danziger Heisternest gewesen, das zu Hela gehörig, nach Ausweis der Kirchenbücher einst fast ganz deutsche Bevölkerung hatte. Seit dem 18. Jahrhundert erfolgten häufige Übertritte der Deutschen zum Polentum, so daß es heute den ganzen Ort erobert hat.
Die Stadt Hela hatte ihre Existenz deutscher und pommerscher Einwanderung zu verdanken. Nach Ausweis der Kirchenbücher, die bis 1639 zurückreichen, hat Hela sich seine Bevölkerung rein erhalten. Nur am äußersten Ende des Dorfes, in einem zerfallenen Häuschen, das durch seine Unsauberkeit von den anderen Häusern absticht, wohnt eine Familie polnischer Herkunft. Die Kaschuben sprechen polnisch, welches indes eine Menge deutscher Worte aufgenommen hat. Ein schöner Menschenschlag ist es nicht, sie sind gedrungen gebaut, ohne jede Spur von Anmut in ihren Formen und Bewegungen. Die Gesichtszüge, auch bei den Frauen, sind meist plump. Bei den Männern hat der Kampf mit den Elementen bisweilen interessante Charakterköpfe herausgebildet. Untereinander leben sie friedlich, jeder ist sein eigener Herr, hat eine Hütte und hält sich eine Kuh und ein Schwein. Die Männer bevorzugen in ihrer Tracht die blaue, die Frauen mehr die bunten Farben. Die Häuser haben alle ein gleiches, schmutziges Aussehen und liegen nicht Straßenförmig geordnet, sondern wirr durcheinander. Ställe und Wohnzimmer liegen auf einem Flur. Ihr Getränk ist das „Bairisch Bier", welches die Frauen mit Zucker versüßt trinken. Sehr beliebt ist auch der sogenannte Fischerwein, ein Getränk aus Äther, Zucker und Essig. Mitunter wird auch Branntwein getrunken. Die Fischer sind im allgemeinen fromm und die katholische Kirche zu Heisternest ist reichlich besucht. Eigenartig ist ihr Gesang, welchen man mit eines in den Wogen sich bewegenden Bootes vergleichen kann. Die Hauptbeschäftigung der Bevölkerung ist der Fischfang. Ackerbau wird sehr wenig betrieben, sie besitzen nur einzelne Kartoffelbeete, welche zwischen den Dünen angelegt sind. Eine große Wiese bei Putziger Heisternest ermöglicht hier etwas mehr Viehzucht als in den anderen Orten, doch reicht die Weide für 70 Kühe und 200 Schafe kaum aus. Die Kaschuben entziehen sich sehr gerne dem Kriegsdienst, sind nicht ehrlich, aber diebisch. Bei ihrer Frömmigkeit herrscht ein hoher Grad an Aberglauben. Wurde doch im Dorf Ceynowa im Jahre 1837 eine alte unglückliche Frau als angebliche Hexe im Boot auf die See hinausgefahren, gefesselt und ins Wasser geworfen und als sie nicht gleich untersank, mit den schweren Rudern totgeschlagen. An dieser Greueltat beteiligte sich fast das ganze Dorf.
Wie schon erwähnt, war früher auch Danziger Heisternest deutsch, vermutlich waren auch die verschwundenen Dörfer Walderb und Nickelsdorf von Deutschen bewohnt. Heutzutage sind die Deutschen nur auf den Ort Hela beschränkt. Es ist ein hochgebauter, kräftiger, dunkelblonder, blauäugiger Menschenschlag. Sie sind kühn, vorzüglicher Ersatz für unsere Marine. Auch die Frauen sind groß und schlank gewachsen, im allgemeinen sind sie häuslich und den Männern treue Gehilfin bei ihrem schweren Beruf, dem Fischfang, nur haben sie den Fehler, daß ihr Sinn darauf gerichtet ist, etwas Neues zu hören oder zu erzählen. Aber das kann mit ihrer Abgeschlossenheit von der Welt entschuldigt werden. Außerdem soll das ja auch bei den Frauen auf dem Lande häufig vorkommen.
Auf dem Wasser ist der Helenser ernst und schweigsam und sieht unwillig auf den Fremden, der während der Fahrt über See in seinem Boot ausgelassen sein sollte. Selten hört man den Helenser bei der Fahrt ein Volkslied singen. Einstimmig wird von allen, die längere Zeit in Hela gelebt haben, anerkannt, daß die Helenser gut, arbeitsam, treu und mäßig sind. Kaum erwachsen, meist bald nach der Einsegnung, gehen die jungen Leute zur See und beenden die Seefahrt als erfahrene Männer und bleiben dann zu Hause in ihrer Heimat, sehen sich unter den Töchtern des Landes nach einer Lebensgefährtin um, gründen einen eigenen Hausstand und treten dann in eine der Fischerkompanien ein. Handwerker gibt es in Hela nicht, der Helenser ist nicht nur seines Glückes Schmied, sondern auch seines Brotes Bäcker und seiner Kleider Schneider. Doktor und Apotheker gibt es auch nicht. Die Leute bleiben gesund ohne Arzt, werden krank ohne Arzt und sterben ohne Arzt. Alte Leute haben stets einen Sarg vorrätig, denn, sterben sie im Winter, so ist es unmöglich, einen solchen zu beschaffen.
Eines Sonntags besuchte ein in Hela angereister Gast die „biedere Frau Bürgermeisterin". Sie führte ihn in ihrem Häuschen herum, und als sie auf dem Bodenraum angelangt waren, stand dort ein Sarg. Auf die verwunderte Frage, ob eine Leiche im Hause sei, gab sie zur Antwort: „Nee, wie häwen ons demm Saarg blos emm Harwst ut de Staadt metjebrocht, wieltbeck oder mi Maan starwe kunnen, on denn hewwen wie demm Sarg to Huuse." Wer beschreibt aber das Erstaunen des Fremden, als sie den Deckel aufhebt und er anstatt der gewöhnlichen Einrichtung Tüten mit Kaffe, Zucker, Backpflaumen, u. s. w. erblickt, den sie für den Winterbedarf eingekauft hat.
Die Helaer sind ein arbeitsames Volk und lassen es sich bei ihrer Arbeit recht sauer werden. Wenn im Winter die Fische ihr Winterquartier unter dem Eise bezogen haben, ziehen die Helenser alle in den Wald, um ihren Winterbedarf an Holz, der ihnen vom Danziger Magistrat angewiesen wird zu fällen, zu verkleinern und heimzuholen. Abends werden neue Netze verfertigt, die Frauen spinnen, die Männer und erwachsene Kinder stricken Netze. Außer den kirchlichen Festtagen gibt es auf Hela noch jährlich fünf, nämlich Lichtmeß (an dem die Stellen zu den Lachsfängen am Strande verlost werden), Fastnacht (wo die Netze zum Lachsfang und Heringsfang zusammengestrußt werden) und Jakobi (wo die Aalstellen am Strande verlost werden). An diesen Tagen bekommt Hela ein festliches Ansehen. Die Flaggen werden längs der Straße aufgezogen und einmal alle Sorgen vergessen. Der vierte Festtag ist der „Kindelbeer“ (Kindtaufschmauß) und der fünfte ist die „Tchest" (Hochzeit).
Die Helenser heiraten gewöhnlich nur ein Mädchen von Hela, bei den Mädchen macht es eine Ausnahme, sie reichen ihre Hand auch bisweilen einem Nichthelenser. Kaum erwachsen gehen die jungen Leute zur See, oft nachdem sie sich mit einem Mädchen verlobt haben. Dieses frühe Verlöbnis mit nachfolgender Trauung hat viel Gutes für sich. Wenn es auch den Jüngling nicht immer vor den Anfechtungen, die ihm in fremden Ländern entgegentreten, schützen mag, so halten die Mädchen doch treu ihr Gelöbnis, ein Fehltritt ist etwas Unerhörtes. Es ist wahr, daß sie im eigenen Ort, da die jungen Leute alle draußen sind, wenig Versuchungen ausgesetzt sind. Indes sie zur Jungfrau heranblühen, fährt der Jüngling in die weite Welt und erwirbt sich im Kampf mit den Elementen Mut und Charakterstärke, aber auch Kenntnisse und Geld. Kehrt er endlich, oft nach langen Jahren aus den fernen Weltteilen zur heimatlichen Sandscholle zurück, dann findet er seine Braut gereift, die Einrichtung zur Hochzeit wird allmählich beschafft und dann zur Heirat geschritten. Er wird wieder Fischer und lebt genügsam und glücklich. Das ist schon so seit alten Zeiten gehalten worden, darüber belehren uns die alten Kirchenbücher, die so manches interessante Streiflicht auf das Seelenleben der Helenser werfen. So lesen wir im Trauregister 1776:
„Am 19. August ward Andreas Budde, hiesiger angehender Bürger und Schiffer, mit Jungfrau Susanne Kamekin, des seligen George Kamekin nachgelassene Tochter, nach dreimaliger vorhergegangener öffentlicher Aufbietung von mir vor dem Altar ehelich zusammengegeben. N. B. Dieses Paar Leute waren ohne mein Wissen und meine Erlaubnis schon vorher im Brautstande in eine Wohnung zusammengezogen, und wollten sich weder zum Auseinanderziehen, noch zur Trauung eher verstehen, bis sie soviel erworben, ihre Hochzeit nach ihrem Sinn veranstalten zu können. Allein teils meine Erklärung, ihnen mit dem Traugelde zu warten, weil sie arm waren, teils ein auf mein Ansuchen ergangener Befehl aus dem hohen bürgermeisterlichen Amte brachte sie endlich dahin, daß sie sich trauen ließen.“
Diese so ausführliche Registrierung wirft ein helles Licht auf die Regelmäßigkeit sittlicher Zustände. Am 20. August 1735 ist auf Befehl des hochedlen Herrn Administrator Se. Herrl. Hl. Johann Wahl ein Mandat vom ehrwürdigen H. Prediger H. I. E. Meier von der Kanzel abgelesen worden wie folgt:
1. Daß keine Trauung später geschehen sollte als aufs höchste um ein Uhr nachmittags.
2. Den Tag vor der Trauung herumbitten gehen, und bei dem Trauungstage sich manierlich aufführen.
3. Es sollte kein putziger Bier geschenkt noch getrunken werden auf Hela, sondern Danziger Bier, bei Strafe jeglicher Tonne zehn Taler.
Es zeigen die Hochzeitsbräuche manche Eigentümlichkeiten in Hela. Hochzeiten finden nur am Sonntag statt, weil am Wochentag zu so was keine Zeit ist. Vierzehn Tage vorher kommt die Brautjungfer im Sonntagskleid mit Bändern geschmückt die Gäste einladen. Ihr Sprüchlein lautet:
„Ich bin ein ausgesandter Bote von dem Herrn Bräutigam, von der Jungfrau Braut, und von der ganzen Freundschaft. Ich bitte auch ganz freundlich als ein ausgesandter Bote, Sie wollen meine Einladung nicht verachten und sie annehmen, als wenn es der Herr Bräutigam und die Jungfrau Braut selber wären. Die Gäste werden so freundlich sein und dem Bräutigam helfen, mit Gott ihren Ehrentag zu vollenden."
Am Hochzeitmorgen erscheint die Brautjungfer wieder, zunächst im Pfarrhause, um die Frau Pfarrer abzuholen, dann zu allen übrigen Gästen weiblichen Geschlechts zur Versammlung im Wohnhause der Braut. Dann folgt die Einladung des männlichen Geschlechts ins Wohnhaus des Bräutigams. Das Geläute der Glocke vom Turme gibt das Signal zum Gang zur Kirche. Der Zug bewegt sich so, immer anwachsend, die Straße des Ortes hinunter zur Kirche. Voran geht die Musik, dann kommen die Kinder, dann der Bräutigam mit dem Führer und den männlichen Gästen, dann folgt die Braut im schwarzen Kleide, geschmückt mit einer Brautkrone, umgeben von der Brautjungfer und Vertretern und den Gästen des zarten Geschlechts. Der sonst so stille Ort erklingt von Jauchzen und Jubel, der sogar das Rauschen der Meereswogen übertönt, Freudenschüsse knallen dazwischen, bis der ganze Zug endlich zur Kirche gelangt ist. In der Kirche angelangt geht die Braut um den Altar, um eine Gabe für den Pastor auf den Altar zu legen. An den Stufen des Altar treffen sich Braut und Bräutigam, knien dann zum Gebet nieder und die Feier beginnt. Nachdem die Trauung vollzogen, begeben sich alle zum Hause des Brautpaares, und es wiederholt sich die ganze Szene, bis sie von den Eltern des Brautpaares eingeholt werden. Alsdann wird Kaffe und Danziger Gebäck aufgetragen, welches vorher von Hochzeitgebern eingekauft werden mußte. Der Pfarrerfamilie wird nach altem Brauch ein Rosinenstrietzel vorgesetzt. Nunmehr folgt der Tanz, am Hochzeitabend muß Musik sein. Nach dem Essen, da muß die Braut sich freitanzen, das heißt, daß sie mit jedem Mann einmal tanzen muß. Nach dem Tanz tritt die Brautjungfer hervor und bittet die sämtlichen Gäste, sich einstweilen nach Hause zu begeben und in einer Stunde zum Mahl zu erscheinen. Die Entfernung der Gäste wird benutzt, um die Tafel u.s.w. zum Mahle herzurichten. Haben sich die Gäste wieder eingefunden, so wird aufgetragen. Gewöhnlich gibt es Dicken Reis mit Zucker und Zimt bestreut, Kartoffeln und Braten, daß für eine bestimmte Anzahl Familien ein Braten aufgetragen wird, an welchem auch die Kinder, die bis zum Kleinsten mitgenommen werden, Teil haben und von welchem die Überreste, wenn welche vorhanden sind, verteilt, eingepackt und mit nach Hause genommen werden. An das Mahl schließt sich fröhliches Beisammensein an. Musik muß wieder sein, was so selten auf dem ernsten Hela vorkommt.
Bis zum Jahre 1868 bestand das Orchester aus einer Violine oder Klarinette, von da ab erhob sich die Instrumentenmusik, denn der alte Dahl kaufte sich einen Baß und begleitete die Violine seines Sohnes. Er hatte wenig Ideen vom Baßspielen. Aber bei ihm wurde das Wort zur Tat, was der Mensch nur will, das kann er auch, denn er strich nun unverdrossen darauf los, und wenn er erst sein Deputat steifen Grog weg hatte, dann bearbeitete er seinen Märterer so, daß von der Violine schlechterdings wenig zu hören war. Bei großen Hochzeiten pflegt wohl auch ein Musikchor von der Putziger Gegend zu kommen, die aber auch ihren Instrumenten Töne entlocken, die Menschen rasend machen können. Eine Art Nationaltanz darf auch bei keiner Hochzeit fehlen, wie folgt: Da die Paare langsam vorwärts schreiten, singen sie mit einer schwermütigen Melodie:
„Auf Matrosen, die Anker gelichtet, Segel gespannt, der Kompaß gerichtet, Liebchen ade, Scheiden tut weh, morgen da geht’s in die wogende See."
Sodann geht die Musik in ein schnelleres Tempo über, und die Paare tanzen einige Zeit im Kreise herum, bis der Gesang wieder aufgenommen wird. Um 12 Uhr muß sich die Braut in die Mitte der Stube setzen, es wird ihr die Krone abgenommen und eine Haube aufgesetzt. Während dieser feierliche Akt vor sich geht, tanzt der Bräutigam mit den jungen Mädchen um die Braut herum. Oft dehnt sich die „Tchest" bis zum folgenden Mittag aus. Da dem Helenser einmal die Gelegenheit geboten wird, die Freuden des Lebens zu genießen, so will er sie auch bis zur Neige auskosten.
Da nun vieles Geschriebene mit der „Tchest" endet, so will ich, wenn der geneigte Leser mir noch kurze Zeit folgt, ihn an einem Winterabend in einem Hause eintreten lassen. Es war Dezember Monat, über der See raste der Sturm. Der Regen klatschte gegen die Fensterläden, und das Heulen des Sturms, das Brüllen der gepeitschten See, das Klappern der Fensterläden vereinigte sich zu einem schauderlichen Nachtkonzerte mit dem Schnurren der Spinnräder, die von den Fischerfrauen eifrig gedreht wurden. Es schien, als ob der Sturm in den kleinen Fischerhütten des Stranddörfchens hineinheulen wollte in die heimlich-traulichen Winkel der Stübchen, in denen die Familienmitglieder sich zum Abend beim Lampenlichte versammelt hatten und die Bewohner in ihrer Arbeit hindern wollte. Hat doch der helenser Fischer keine Zeit, die Hände müßig in den Schoß zu legen, selbst am Feierabend. Sein Los ist ein steter Kampf mit den Elementen, denen er seine Nahrung abringt, seine Erholung ist die Vorbereitung in einem Gewerbe und zu neuen Kämpfen mit den Elementen. Ganz besonders heftig heulte und tobte der Sturm um die Hütte des Fischers Wilhelm Hansen, da sie dem Strande am nächsten und zugleich am höchsten lag von den anderen Hütten des Dorfes. Sie war aber auch die stattlichste des kleinen Ortes. Wie um diese Hütte herum der Sturm am heftigsten tobte, so wurde auch im Inneren derselben am eifrigsten gearbeitet. Wir wollen nun im Hause des Wilhelm Hansen eintreten:
In dem kleinen Stübchen sitzt die siebzigjährige Mutter der Fischerfrau mit einem Sehglas in der Hand und liest im Buche aller Bücher. In der Wohnstube sitzt der achtzigjährige Großvater auf der Ofenbank und füllet die Nadeln zum Stricken der Netze. Die zwei ältesten Kinder der Fischerleute stricken Netze, der Fischer sitzt und strickt sein Netz und raucht dabei aus einer kurzen Kalkpfeife seinen Schuß und arbeitet so emsig, als ob es gelte, ein ganzes Netz an einem Abend fertig zu stricken, seine Frau sitzt am Spinnrad und drillt das Garn zum Stricken der Netze und hebt keinen Blick von ihrer Spule empor, und wiegt dabei singend mit dem einen Fuß ihren Jüngsten. Da kommt Besuch, Klaus Derns tritt herein, genannt der „Englischmann", weil er drei Jahre auf der Brigg „Anna" als Steuermann für England gefahren hatte, wobei er etwas Englisch sprechen gelernt hatte, so daß er öfters „jes" und „goddäm" beim Sprechen anwandte und so „Englischmann" genannt wurde. Bei seiner Heimkehr findet er seine alten Eltern nicht mehr, wohl aber Inge Hansen, die zu einer schmucken Dirne herangewachsen ist. „Welkom! Englischmann! Setz Dich!“, unterbrach die Wiegende ihr Singen, aber mit dem Setzen gings nicht so schnell, denn Klaus, in der helenser Fischertracht mit dem Buggeron steuert zuerst auf die Fischertochter los, um derselben die Hand zu reichen. Er hatte sie lieb und setzte seit seiner Heimkehr nach Hela alle seine Segel bei, um in ihren Kurs zu kommen und das schmucke Fahrzeug zu kapern. Und das mußte man sagen, die Inge Hansen war eine feine Jolle, die, wenn sie sich am Sonntag aufgetakelt hatte, einem jungen Schiffer wohl das Toppsegel verrücken könnte. Der Englischmann hatte Glück, die Fischertochter strich ihre Flagge und ergab sich, und Klaus Berns führte sie als eine gute Priese, wie der Pastor sie am Pfingst-Zweitfeiertag zusammengegeben hatte, in seine Koje.
An solchen Hochzeiten (Freudentage) nimmt das ganze Dorf teil. Es kommen jährlich bei der geringen Völkerzahl nur zwei bis vier vor. Doch berichtet das Trauregister beim Jahre 1724. NB.:
„In diesem Jahre sind keine getraut worden, welches sich sonst nicht begeben hat. Gott gebe Glück zum neuen Jahr 1725.“
Die eheliche Treue wird aufs strengste bewahrt, Vergehungen sind unbekannt. Die Heiraten finden fast stets unter den Einheimischen statt, und so zeigt das Kirchenbuch durch Jahrhunderte die selben Familiennamen. So erklärt sich das Festhalten an alter Sitte, das Vorhandensein einer ganzen Menge Kenntnisse und Gebräuche. Hierher gehört das Genossenschaftswesen, welches sich besonders für den Fischfang ausgebildet hat und ein fest gegründetes Gewohnheitsrecht, das noch heute die vollste Anerkennung verdient. Die obrigkeitlichen Ämter in Hela, also die Stellen des Vogtes, des Bürgermeisters und der Ratsmannen, sind Jahrhunderte hindurch von den Vorfahren der Leute besetzt und verwaltet worden, welche noch heute als ehrsame Fischer in Hela leben. Der heutige Gemeindevorsteher - 1890 - der sich mit Stolz der letzte Vogt von Hela nennen kann, bewahrt noch zwei Protokollbücher aus dem 17. und 18. Jahrhundert auf, in welchen sich die vor dem Rat von Hela aufgenommenen Verhandlungen über Vormundschaften, Nachlaßregulierungen, Auseinandersetzungen, sowie schiedsgerichtliche Entscheidungen finden. Die sind von dem jedesmaligen Schulmeister niedergeschriebenen, der als Amtsschreiber zu fungieren hatte und unterzeichnet vom Vogt, Bürgermeister und Rat. Das, was von juristischem Material in den Verhandlungen enthalten ist, der Umstand, daß einfache Fischer es unternehmen konnten, derartige Funktionen auszuüben, muß die volle Anerkennung und Bewunderung hervorrufen. Jenes feste Zusammenhalten der Gemeinde, das Bewußtsein ihrer Zusammengehörigkeit und Selbständigkeit, das Gefühl des Gewichtes der eigenen Persönlichkeit in allen Angelegenheiten, die sein Wohl und Wehe betreffen, hat dem Helenser eine Art Stolz verliehen, die ihn den Fremden gegenüber mißtrauisch und verschlossen macht. Dazu kommt, daß der Fremde ihm gegenübertritt mit seinem Vorurteil vom rohen ungebildeten Fischer, indem er vergißt, daß diese Leute meist mehr von der Welt gesehen haben, als jene, die hochmütig auf seine Beschränktheit herabschauen, daß er sich in fernen Landen ein geistiges Urteil über die Dinge verschafft hat, welches sehr über den des binnenländischen Bauern steht, daß er bei seinem Dienst in der kaiserlichen Marine oft zu den höchsten Unteroffiziersstellungen gelangt ist, und daß viele von ihnen nach Besuch einer Navigationsschule das Steuermannsexamen gemacht haben und von Mathematik und Astronomie vielleicht mehr wissen, als der studierte Fremde. Wenn der Fremde aber mit dem Helenser bekannter wird, und er sich ihrem Ideenkreis anzupassen weiß, wenn er ihnen offen und herzlich entgegenkommt, so wird er unter der etwas rauhen Schale bald den tüchtigen Kern entdecken, ihren Charakter und ihren Wissenskreis schätzen lernen und mit den „rohen ungebildeten Fischern" gute Freundschaft schließen. Trotz allen Vorteilen, die sich dem seefahrenden jungen Helenser oft bieten, wenn er draußen bleiben, eine feste Anstellung anderweitig annehmen könnte, zieht es ihn doch immer nach der Heimat zurück. Mancher, der draußen ein vergnügtes und reichliches Leben führen konnte, kehrt zur alten Landscholle heim, nicht Einsamkeit, nicht Mangel halten ihn ab, sich endlich doch wieder in dem Ort seiner Vorfahren niederzulassen und dort sein müdes Haupt zum letzten Schlummer zu betten, nachdem Wind und Wellen ihn gnädig verschont.
Freilich findet auch mancher in der Fremde sein Grab und manche Familien wissen von Angehörigen zu erzählen, die den heimatlichen Herd nicht wieder gesehen haben. Nächst der Liebe zur Heimat zeichnet große und wahrhafte Frömmigkeit den Helenser aus. Sonnabend abends singt jeder Hausvater mit seiner Familie ein geistliches Lied, und liest einen Abschnitt aus der Bibel, ebenso sonntags morgen und nach dem Mittagessen. Sie macht einen wohltuenden Eindruck auf ihre Kirchlichkeit, sonntäglich füllt sich die schöne Kirche bis auf den letzten Platz, und der Pastor kann sich rühmen:
„Sonntags ist kein Plätzchen leer, ja solch ein Kirchlein gibt’s nicht mehr."
Ihren Pastor verehren die Leute und machen ihn zum Vertrauten aller ihrer kleinen und großen Sorgen, aber er muß es auch verstehen, sich ihre Liebe und Achtung zu erwerben. Die Helenser nahmen schon an der Reformation, die verhältnismäßig früh bei ihnen Eingang fand, lebhaften Anteil. So haben sie auch später stets ihren Seelsorgern gegenüber in einem schönen patriarchalischen Verhältnis gestanden, ohne doch gleichzeitig zu vergessen, daß der Prediger ihretwegen und sie nicht für den Prediger da waren. So gab es Ende des 16 Jahrhunderts einen originellen Schriftwechsel zwischen dem Helenser und dem Danziger Rat, über welchem eine Chronik berichtet: 1581 haben Helenser ihren Prediger Michael Storch abgesetzt, welcher sich aber bei E. Rat der Stadt Danzig ex fundomento beschweret, daß er sich nicht a Helensibus, sondern von E. R. von Danzig besetzt worden, da nach hero Helensibus dieses schriftlich verwiesen. Sodenn anno 1581 schreiben Helenses ad Magistratum Gedanensem, daß sie obgedachten Prediger abgesetzt, weil er ihnen nicht genehmlich, eine schwache Stimme hat und bei windigem Wetter in der Kirche nicht kann gehört werden. Freilich ein triftiger Grund, um so mehr, als die Helenser zum Kirchenbesuch durch Strafen angehalten wurden. Bestimmt doch die Kirchenordnung des Landes Hela von Juni 1670, daß alle Bürger und Einwohner des Landes Hela zusammen mit ihren Frauen, wenn sie gesund und nicht beschäftigt seien, sollen Sonntags zur Kirche gehen bei 5 Schlg. Strafe. Ein ander Mal verklagten die Helenser ihren Prediger Michael, weil er ein in der Kirche anwesendes Mitglied der Gemeinde ausgescholten und einen Schuft genannt haben soll (1684). Im Jahre 1755 wurde ein Pastor Hannemann nach Hela berufen, welcher seine Antrittspredigt mit den Worten schloß:
"Du hast mein Leben Gott regieret, und mich nun auch hierhergeführet, erlöse mich bald von Hela, ich bin nun fertig, Sela."
Sein Wunsch sollte bald erfüllt werden. 8 Wochen später fuhr er in einem Boote nach Danzig, dasselbe kenterte, und er ertrank mit mehreren Helensern. Allerdings ist das Leben eines Pastors auf Hela einerseits ein entsagungsreiches, denn in den Monaten November bis März ist er wie auf einer Robinson-Insel von der Außenwelt abgeschnitten, und hat er im Herbst nicht rechtzeitig für Lebensmittel gesorgt, so ist er den Winter über auf eingesalzene Fische angewiesen. In früheren Jahren kam nur zweimal wöchentlich aus Putzig ein Briefträger. In neuerer Zeit hat Hela eine tägliche Postverbindung mit Putzig erhalten. Wenn aber im Frühling die linden Lüfte erwachen und das Eis fortgetaut ist, dann hat es auch mit der Einsamkeit ein Ende. Denn mit den Schwalben kommen auch oft mehrere Fremde, die in der grünen Waldeinsamkeit und in den klaren Fluten des Meeres Genesung suchen für Leib und Seele. Wie getreu sie aber mit den ihnen genehmlichen Seelsorgern Leid und Freud teilen, wie bereitwillig sie vorkommenden Falles ihr Leben aufs Spiel setzen, davon erzählen Kirchenbuch und Chronik manch Beispiel.
So war im Februar 1805 der Prediger I. C. Jonasson in Hela schwer krank, weshalb am 5. Hornung der Vorsteher George Hoffmeister und der Diener C. H. Chr. Kusch nach Arznei für den Herrn Prediger ums Land nach Danzig gehen wollten. Nachdem aber die Nacht und den Tag über erschrecklich viel Schnee gefallen, daß nicht Fortzukommen, gingen sie den 7. Hornung und da sie bis den 23. noch nicht zurückgekommen, daß man dachte, sie wären zu Schaden gekommen, gingen die zwei Bürger Anton Barlasch und Martin Eller, jr. wieder nach Danzig und trafen die zwei unterwegs auf der See an. Den 15. waren sie wieder hier. Den 19. gingen Anton Barlasch und J. D. Schmidt wieder nach Danzig und kamen den dritten Tag wieder zurück, alle Arznei war aber vergebens. Den 27. Februar gingen Barlasch und Eller wieder über Eis nach Danzig, einen Sarg holen und kamen den 2. März damit in Hela an. Den 6. wurde H. Pastor beigesetzt. Aus dieser Erzählung erfährt man, wie abgeschnitten mit der Verbindung Hela von der Welt die Wintermonate über war, wenn nicht die Witterungsverhältnisse von Hela nach dem Festlande eine Eisbrücke schlugen. Ein böses Gerücht hat man von Hela verbreitet, daß früher sonntäglich von der Kanzel herab am gesegneten Strand gebeten worden sei, d. h. um das Stranden recht vieler Fische. Diese Bitte findet jetzt noch statt, daß Gott den Fischfang reichlich segnen wolle. Sowie auch, daß die Helenser sofort aus der Kirche des Sonntags laufen und den Prediger allein zurücklassen, sobald zur Zeit der Lachs- oder Heringszüge die Meldung hereingerufen wird, daß der Fisch kommt. Wie falsch und böswillig diese Erzählung ist, beweist die Erzählung einer langjährigen helaer Pfarrerfamilie, die es gütigst mitgeteilt haben: Es war ein trauriger schwerer Winter gewesen, und die Armut und der Mangel waren in Helas Hütten eingekehrt. Endlich kam das Frühjahr und mit ihm der heißersehnte Lachszug. Gerade am Gründonnerstage trafen sie ein. Doch kein Fischer rührte sich vom Lande. Am Gründonnerstage, am Karfreitag war Vor- und Nachmittag Gottesdienst, am stillen Sonnabend ging alles zur Beichte, am ersten Feiertag vor- und nachmittags wieder zur Kirche. Indes sah man draußen in der See schon die silberfarbenen Lachse im Sonnenschein glitzern. Auch der Vormittag des zweiten Feiertages war die Kirche gedrängt voll. Nun aber meinte der Pastor, der der armen Gemeinde von Herzen den Verdienst gegönnt hatte, daß der Nachmittagsgottesdienst, welcher nur in der vom Pastor gehaltenen Liturgie und einer Vorlesung des Lehrers bestand, werde ausfallen können. Um so mehr erstaunte er am Nachmittage, als aus der Kirche herüber Orgelklang ertönte. Er eilte daher in die Sakristei, von wo er, während seiner Vorbereitung, drinnen in der Kirche Gesang hörte und auch deutlich die laute Stimme des achtzigjährigen Kirchenältesten Düring erkannte, dessen Gestühl dicht an der Sakristeitür stand. Verwundert, daß die Gemeinde doch wieder versammelt sei, geht er nun hinein und schreitet, ohne sich umzusehen, zum Altar. Als er an diesem sich zur Gemeinde umwendet, sieht er die Kirche leer, bis auf ein paar alte Frauen, seine eigene Tochter und den alten Düring. Die Liturgie ward gehalten, dann aber ging der Pfarrer an den Alten heran und fragte ihn, ob er denn die Andacht weiter gehalten haben wolle, was doch für den Schulmeister, der sich sonst auch am Fischfang beteiligen könne, betrübend sein würde. Doch der Greis klopfte sich mit würdigem Stolz auf seine Brust, und sagte: Er sehe nicht ein, warum der Schulmeister nicht für ihnen allein die Orgel spielen und der Pfarrer den Gottesdienst weiter abhalten wolle, und er für die ganze Gemeinde, die draußen fische, beten wolle. Und so geschah es.
Ein ferner schöner Charakterzug ist bei den Helaern die Ehrlichkeit und Rechtlichkeit (wenn auch mit einer kleinen Ausnahme, wie nachher berichtet wird). Bei Rettung Schiffbrüchiger gibt es keinen opfermutigeren Helfer in der Not als die Helenser. So wäre es auch bei der "Glencoe" gewesen bei der Beraubung im Jahre 1890, bei dem ein großer Strafprozeß schwebte. Kein Stückchen Ladung wäre verschwunden, wenn der damalige Strandhauptmann helenser Leute als Wachen aufzustellen angenommen hätte. Übrigens sind unter den dabei über 200 Angeklagten nur 5 Personen aus dem Ort Hela selbst, die anderen aus den anderen Ortschaften, also Polen. Diebstahl kommt überhaupt in Hela nicht vor. Aber etwas ganz besonders Erschreckliches meldet die Chronik, die Taten eines jugendlichen Verbrechers. 1735 am 17. August, hat der selige Witwe Bartel Gackschen ihr Sohn Paul von 12 Jahren im Halseisen bei der „Temnitz" stehen müssen wegen Diebstahls bei Paul Falkenberg um zwei Achtehalber ( 50 Pf. ) und 1736 im Juni hat wieder der Witwe Bartel Gackschen ihr Sohn Paul zwei Tage, jedlichen Tag 1/2 Stunde im Halseisen bei der Temnitz stehen müssen, weil er angefangen, sich des Abends in der Leute Häuser einzuschleichen und eingesalzene Aale gestohlen, selbige für Branntwein und Weißbrot verkaufen wollen, und hernach in der Schule auf den Podex mit Ruten gestrichen worden, welches auf Befehl des „Hoch Dl. Gestrengen Herrn Administrator Herrn Johann Wahl hat geschehen müssen. Auch der Umstand, daß die Häuser und Stuben tagsüber stets offen bleiben und des Nachts nur selten mittels eines leichten Holzriegels geschlossen werden, deutet auf die allgemeine Ehrlichkeit der Bewohner hin. Es kam oft vor, daß die Frau Prediger des Morgens beim Heraustreten aus ihrer Schlafstube im Hausflur Fische herumzappeln sah. Die Leute waren nämlich Nachts vom Fischfang gekommen und hatten im Vorbeigehen aus ihren Käschern der „Predjersche e puur Fesch rengeschmieäte". So erzählt ein Herr, der sich längere Zeit in Hela aufgehalten:
„Bei meinem Aufenthalt 1890 in Hela habe ich längere Zeit alleine in einem Haus gewohnt, die Haustür Tag und Nachts offen gelassen, meine Stubentür nie verschlossen, auch das Fenster stets offen gehabt, doch ist mir nie etwas von meinen Sachen, die ich auch bei langer Abwesenheit nie verschlossen, weggenommen oder beschädigt worden."
In früheren Zeiten hatten die Frauen als Volkstracht eine sehr kleidsame und oft kostbare Tracht mit weiten Röcken von damastierten blauem Stoff mit halblangen Ärmeln, weißgestickten Handschuhen und einer gold- oder silbergestickten Mütze. Besonders die Frau Bürgermeisterin zeichnete sich durch Kostbarkeit ihrer Kleidung aus. Diese Kleider wurden natürlich nur an Sonn- und Feiertagen getragen und hielten daher lange vor. Heute sind die Absonderlichkeiten der Tracht verschwunden. Die Männer tragen gerne dunkelblaue Tuche, am Sonntage den langen schwarzen Rock, auch bei den Frauen ist blau eine bevorzugte Farbe, jedoch in hellerer Schattierung. Die ganze Bevölkerung von Hela lebt fast ausschließlich vom Fischfang und ist hierzu in eigentümlicher Weise organisiert. Es bestehen für jede Art des Fischfanges eine bestimmte Anzahl Genossenschaften, welche den Fang auf gemeinsame Kosten und Gewinne betreiben. Jede Familie gehört einer dieser Genossenschaften an und die gesamten Mitglieder der Familie, außer den verheirateten Frauen, sind an der Arbeit und am Gewinn beteiligt. diese Genossenschaften heißen „Manschapperie" und müssen sehr alten Ursprungs sein, da sie schon in der Willkür von ca. 1450 erwähnt werden. Neuerdings ist der Name „Kompanie" dafür aufgekommen. Dieselben werden bezeichnet nach dem Namen ihrer Obmänner, also Kompanie Walkows, Kompanie Hallmann u.s.w. Jeder einzelne hilft nach seinen Kräften mit, den Frauen und Mädchen ist meist die sehr schwere Arbeit des Ausnehmens, Bearbeitens und Räucherns der Fische anheim gegeben und die Kinder helfen wenigstens die Netze nach den Strand ziehen. Dafür wird auch der ganze Fang, oder wenn er zu Gelde gemacht wird, der Erlös dafür gleichmäßig verteilt, und zwar erhält jeder erwachsene Mann einen Mannesanteil, jedes Mädchen oder Kind die Hälfte eines solchen, den Kinderanteil. Wer einmal zu einer solchen Kompanie gehört, der bekommt seinen Anteil auch, wenn er durch Krankheit oder Unglück arbeitsunfähig geworden sein sollte, es erhalten ihn auch die Witwen und Waisen derjenigen Männer, welche zu ihren Lebzeiten bei der Kompanie gestanden haben. So hat sich in Hela eine Art Kommunismus und zugleich eine Art Unfall-Alters-Witwen- und Waisenversicherung ausgebildet, wie sie einfacher und zweckmäßiger nicht gedacht werden kann. Die Hauptfänge sind der Lachsfang im Frühjahr, der Heringsfang im Frühjahr und Sommer, der Aalfang im Herbst. Daneben werden auch Flundern und Breitlinge gefangen. Für diesen Fang ist die Bürgerschaft von Hela in Kompanien eingeteilt. Alljährlich zu Lichtmeß und zu Jakobi wird von den Kompanieführern in einer Versammlung beim Gemeindevorsteher das Los gezogen, welches den einzelnen Kompanien die bestimmten Züge, sowohl am inneren wie am äußeren Strande zuweist. In wie hohem Maße ein reicher Fischfang davon abhängig ist, wird dann als große Seltenheit in der Chronik vermerkt. So steht beim Jahre 1737, welches sonst durch einen fürchterlichen Februarsturm, der 22 Boote zerschlug, ein Unglücksjahr war, verzeichnet:
„Noch in diesem Jahr ist ein so reicher Aalfang gewesen, daß die ältesten Leute auf unserem Jahre nicht haben erdenken können.“
1845 wurde im April im Putziger Wiek hinter Alt-Hela viel Lachs gefangen im Lachsgarn, einige Kompanien bis acht Schock den Tag, vorher war viel Lachs bei Oxhöft und Mechelinke gefangen worden. 1884 hatte eine Kompanie am Draußenstrande beim Schwedenzug an einem Tag 17 Schock Lachs gefangen, in einem Zug 15 Schock, hatten auf ein Mannesteil den Tag 60 Taler verdient. Bei der Repartition wird auch der Pfarrer berücksichtigt, welcher außer einem 20- pfündigen Lachs, den er alljährlich erhält, von jedem Fang, ohne mithelfen zu brauchen, dreiachtel eines Mannsteil erhält, den er mit dem Lehrer zu teilen hat. Wie sehr der gemeinsame Fang schwankt, ist aus dem Pastoranteil zu ersehen, wie er hintereinander jährlich betragen hat: 5 Pf. - 7 Mk. - 13 Mk. - 22 Mk. - 7 Mk. - 51 Mk. - 1 Mk. 7Mk. - 31 Mk. - 11 Mk. - u. s. w. Zum Schluß wird noch ein hier stattgefundener Fall bemerkt: Als im Jahr 1886 der Lachsfang begann, wollte ein armer Junge sich auch sein Stück Brot verdienen und begab sich zu der Kompanie W., bei der er Verwandte hatte. Frau W. aber, welche sehr großes Ansehen bei ihrem Eheherrn genoß, mochte den Jungen nicht leiden und sagte zu ihrem Mann, dem Kompanieführer: „Wenn du den Jungen beim Fischfang aufnimmst, so kratze ich dich die Augen aus!". Dem Mann waren seine Augen lieber als der Junge, und als der zum Fischen kam, schickte er den Jungen weg. Heulend ging dieser am Strand entlang nach Hela zu, an den anderen Kompanien, die beim Fischen waren, entlang. Endlich, dicht bei Hela ward er von den Leuten der Kompanie B. angerufen, warum er heule. Er klagte sein Leid und wurde mitleidig aufgenommen. Den Tag fing die Kompanie B. soviel Lachs, daß der auf den Jungen fallende Anteil 20 Taler betrug. Die Kompanie W. aber hatte an dem Tag gar nichts gefangen. Der Knabe gehörte fortan der Kompanie B. an. Wir wollen aber auch dankbar der schönen Fische gedenken, durch deren Fang der helaer Fischer seinen Unterhalt gewinnt. Es gibt auch Wochen, um die Osterzeit herum, wo man auch Lachse zu Essen bekommt der als schönes Mittagsmahl auf den Tisch gesetzt wird, indessen gibt es auch Wochen in Hela, wo man froh sein kann, daß man nur Heringe hat. Die Abgeschlossenheit Helas kann man sich vorstellen. Um so größer ist die Freude, wenn endlich das Frühjahr die Eisfesseln zerschlägt und der Weg auf das geliebte nahrungspendende Element frei wird. Sobald wie möglich wird nach Danzig gefahren, um die während der Winterzeit verbrauchten Vorräte zu ergänzen. Auch fahren dann die jungen Leute, die zur See gehen wollen, hinüber, und so gewinnt diese erste Fahrt, neben dem fröhlichen auch einen wehmütigen Charakter. Hin nach Danzig begleiten fröhliche Gesänge die Fahrt, auf dem Heimwege aber fehlen die jungen Leute, und die Fahrt geht still vonstatten, mag doch unter den Jünglingen mancher gewesen sein, der den heimatlichen Strand zum letzten Mal gegrüßt und zum letzten Mal ins durch ein paar Bretter getrennt von dem tiefen nassen Grabe unter seinen Füßen, nicht ahnend den Unfall, der ihn betreffen kann, vertrauen sie ihr Leben, um ihren und den ihrigen Lebensunterhalt zu fristen. Denn das wenige Land, welches die Bewohner besitzen und der dürre Sandboden, der stetig mit dem vom Winde getriebenen Flugsand zu kämpfen hat, erzeugt nicht soviel Nahrungsmittel zu ihrem nötigen Bedarf. Die Bewohner von Hela leben zurückgezogen von der Welt, lieben kein ausgelassenes Vergnügen, sind glücklich und zufrieden, wenn sie ihr Brot in Ruhe und Frieden essen können, ihr Brot, das sie essen, wenn es auch manchmal seinem Gaumen nicht mundet, so ist es doch seinem Magen sehr angenehm, mehr als den Reichen ihre Kuchen. Dafür entrinnt er auch vielen Krankheiten, seine Arbeit erhält seine Gesundheit und verschafft ihm einen sanften Schlaf, welchen mancher Reiche nicht erlangen kann. Der helaer Fischer beschränkt seine Wünsche in den Grenzen seines Standes, er verzagt nicht wegen seiner Dürftigkeit, die Zufriedenheit, die er genießt, ist süßer als die Erwerbungen, die der Reiche genießt. Weil er das scheinbare Glück dem Reichen nicht neidet, ist er frei von dem Kummer, der manchem Reichen im Herzen nagt. Nur der Mensch lebt glücklich, welcher mit seinem Los zufrieden ist. Überall ist Gottes schöne Erde, die Bewohner Helas haben auch Ursache, sich ihres Standes zu freuen. Er ruht nach seiner schweren Arbeit unter den Schatten des Baumes, seine Sänger sind die Vögel, der liebliche Sommermorgen. Der Geruch des Grases und der blühenden Bäume erquickt ihn und gibt ihm Zufriedenheit. Der schöne Vogelgesang, die Blütenpracht und der Sonnenschein lächeln ihm ebenso freundlich entgegen wie den Reichen. Das Wasser, welches er trinkt, löscht ihm genauso den Durst wie die köstlichen Getränke den Wollüstigen. Der Reiche bezahlt alles mit Geld, was ihm Lust und Freude macht an erkünstelten Schönheiten, woran sich sein Auge gewöhnt, und er findet ihr einerlei langweilig. Die Insel Hela ist ein deutsches „Thule", dem aber jede Verherrlichung fehlt, es kann nicht gepriesen werden mit einem Land von üppiger Fülle, „goldenen Saaten“ auf den Feldern, auf den Bergen edler Wein. Darum wird das arme Hela von der reichen See- und Handelsstadt Danzig, zu dessen Territorium es gehört, über die Axel angesehen. Aber wo gilt der Prophet etwas im eigenen Lande? Das ist Hela mit seinen Leuten, Leben und Entbehrungen, Geschichten und Anziehungspunkten. Ein Ort der Einsamkeit und der Zufriedenheit.
Die übrigen Orte der Halbinsel
Ceynowa
Über die Entstehung und Gründung dieses Ortes berichtet folgende Sage: Das sogenannte Dorf Ceynowa haben drei Brüder, so Zeyenhagen, gestiftet, sich drei Katen gebauet, und hat viele Jahre zu „Drei Katen", oder in ihrer Sprache „Chluza" geheißen, hernach, als sie sich vermehret und mehr angebaut, haben sie ihre Namen geändert und sich Ceynowen genannt, auch dem Dorf ihren Namen „Ceynowa" gegeben. In der Tat wird Ceynowa heute noch von der polnischen Bevölkerung der Halbinsel „Chaluzy" genannt. Mit dieser Überlieferung stimmt freilich nicht überein die von Prutz aufgestellte Vermutung, daß der in den Urkunden des 15. Jahrhunderts vorkommende Ortsnamen „Liniewo" mit „Ceynowa" identisch sei. Nach polnischen Geschäftsbüchern befanden sich auf der Halbinsel zur Zeit der Regierung der polnischen Könige Wladislaus der Vierte und Johann Kasimir zwei befestigte P1ätze zum Schutze der polnischen Flottille, welche vor Putzig lag. Von diesen Befestigungen ist heute zwar nichts mehr zu sehen, doch soll „Wadisawowo" nach einer alten Karte: „Insel Hela 1717 Augusto dem Anderen", westlich von Ceynowa, „Kasimirow’“ dagegen östlich von“ Kußfeld" gelegen haben.
Zwei in der Stadtbibliothek von Danzig befindliche Karten aus dem vorigen Jahrhundert, (18. Jahrhundert) zeigen auf der Stelle Ceynowas eine Schanze mit dem Namen „Casimirusschanz" gehörte. In diesem Jahrhundert, (l9. Jahrhundert) wurde es abgezweigt und ist nun selbständiges Rittergut und hat als solches mehrere Male als Landratsgut fungiert. Jetzt gehört es zu jenen Grundbesitzen, zu deren Übernahme noch etwas hinzugezahlt werden müßte. Ceynowa ist jetzt der kleinste Ort der Halbinsel, und seine Einwohnerzahl verringert sich fast alljährlich durch Auswanderung. Eine traurige Berühmtheit hat der Ort durch die noch im Jahre 1837, wie schon berichtet, durchgeführte Hexentötung erlangt.
Kußfeld
Von den Anfängen dieses Ortes beweist keine Geschichte. Er taucht zuerst im Beginn des 17. Jahrhunderts auf. In der Mitte desselben Jahrhunderts muß er sehr gelitten haben, da es als Merkwürdigkeit erzählt wird, daß Kußfeld nur aus einem Hause bestanden habe im Jahre 1663. Heute zählt es etwa 60 Häuser mit 400 Einwohnern. Die Kußfelder zeichnen sich vor den übrigen Insulanern durch Fleiß und Sauberkeit aus. Der auftretende „Weichselzopf" ist in Kußfeld sehr vorherrschend.
Putziger Heisternest
Polnisch „Hastarnia" (Jastarnia), ist schon sehr alt, da es bereits im „Danziger Komthureibuch" um 1400 als „Heisternest", wozu 28 Morgen Wiesen gehörten, erwähnt wird. Bis hierher reichte später die „Putziger Starostei“, deren politisches Schicksal die bisher genannten Orte teilten. Wichtig ist Heisternest besonders wegen seiner Kirche am Versammlungsorte der gesamten katholischen Bevölkerung der Halbinsel. Sie ist gegründet im Jahre 1766, aber erst 1795 wurde ein Geistlicher bei ihr eingestellt. Sie ist ein sehr einfacher Holzbau mit kleinem Türmchenaufsatz. Das Innere ist freundlich, aber auch einfach, in Farben weiß und blau. Zwei bemerkenswerte Gemälde befinden sich daselbst, ein „jüngstes Gericht" und einen „Totentanz" darstellend. Heute zählt der Ort etwa 50 Häuser und 350 Menschen.
Danziger Heisternest
Danziger Heisternest ist ziemlich neuen Ursprungs, da es erst Ende des 16. Jahrhunderts vom Danziger Magistrat am Ende seines Territoriums angelegt worden ist. Die Niederlassung ward zunächst mit evangelischen Fischern besetzt, bald aber nisteten sich auch polnische Ansiedler ein, und so bewirkte die große Nähe des kassubischen und polnischen Putziger Heisternest, sowie die schwierige Verbindung mit dem zwei Meilen entfernten Hela, daß die Danziger-Heisternester nach ihrer Sprache dann auch ihre Religion wechselten, so daß heute der ganze Ort katholisch ist. In der Bibliothek der 1758 vom Administrator Karl Grodeck mit einem Kostenaufwand von 1700 Gulden gestifteten Schule zu Danziger Heisternest wird noch eine Polnisch-Lutherische Bibel aufbewahrt. Der Ort hat heute etwa 70 Häuser mit 400 Menschen, ist aber bald dem Untergange geweiht, da das Meer grade an dieser Stelle Land wegnimmt und über die Stelle, wo vor 25 Jahren noch zwei Häuser standen und Wiesenland war, heute seine schäumenden Wogen rollen.
Eigentümlichkeiten der Halbinsel
Die Bewohner der Halbinsel sind sämtlich Fischersleute, die Landschaft der Halbinsel bietet immer dasselbe Bild, Sand, Wald und Wasser. Eine tote Einsamkeit, außer wenn der Sturm die Wasser peitscht, die Seevögel aufscheucht und der Sand hin- und hergetrieben wird. Es ist ein eigentümliches Gefühl, man könnte es ein feierliches nennen, wenn man in den Dünen Helas umherwandelt, und hier wie in einer Werkstatt der Natur, des Schöpfers Gottes vor Augen sieht, die Öde und Einsamkeit und Grabesstille, die stille Arbeit der Pioniere, dabei geht die Fortifikation der Düne, des Sandhafers sowie des Sandhaargrases immer weiter Das Klima Helas ist erheblich von dem des nächsten Festlandes verschieden. Die mittlere Jahrestemperatur ist um einen Grad höher als die Danzigs, sie beträgt sieben Grad Celsius. Auch fängt die Zeit des Frostes in Hela bedeutend später an als in Danzig und andererseits endet sie auch später. Es dauert geraume Zeit, bis das Wintereis geschmolzen ist und erhält in der Tiefe des Ostseebeckens das Wasser lange kühl. Daher ist auf Hela der Herbst und Winter wärmer, Frühjahr und Sommer kühler als auf dem Festland. Auch bildet sich bei Hela bei harten Wintern viel Eis, wobei nicht allein die putziger Bucht, sondern auch die Danziger Bucht sich mit starkem Eismantel bedeckt, so daß man sogar mit Schlitten von Danzig nach Hela fahren kann, und die alten Chroniken versäumen nicht, solche Winter als besonders seltsame Ereignisse aufzuzeichnen. So wird aus dem Jahre 1459 gemeldet:
„Von dem 59. Jahre in das 60. Jahr war so ein harter Winter so je Menschen gedenken mochten, daß man von Danzke gen Heele aufm Eise über die gesalzene See grade zufuhr, und die von Heel sprachen, das man vom Turme zu Heel, so man forderst in die See sehen konnte, nichts anders denn Eis sah und kein Wasser nicht sehen konnte erkennen. Und am Sonntage Oculi in der Fasten sant Gerthrude Abend, da fuhr man noch von Heele über die See zu Eis gen Danzke, auch zog man zu Pferde und zu Fuß aus Dänemark über die See zu Eise in die Wendischen Städte, also zu Lübeck, Wismar, Rostock und zum Sunde, daß nie kein Mensch mehr gedacht hat. Und ferner: Anno 1496, da war so groß Winter, daß man über Eis von Heel fuhr bis gen Danzke nach Lichtmeß Marie.“
Dasselbe wird von den Wintern 1568 und 1578, erwähnt, 1546 soll man sogar im Schlitten von Danzig um Hela herum nach Lübeck gefahren sein. Im Februar 1670 wanderte der Schulmeister von Hela, Gottwald Böttiger, mit Frau und Kind über das Eis nach Konitz und mehrere junge Patrizier aus Danzig veranstalteten eine Schlittenfahrt nach Hela. Dasselbe konnte in den Jahren 1674 und 1686 geschehen. Im vorigen Jahrhundert zeichnete sich besonders das Jahr 1709 durch einen ganz außerordentlichen Frost aus, so daß die Ostsee neun Meilen weit mit Eis bedeckt war und vor Mitte Mai kein Schiff in den Danziger Hafen einlaufen konnte. Von 1739 berichtet das helaer Kirchenbuch:
„Am Tage Simonis Judae (28 Oktober) hat sich der unerhörte harte Winter angefangen, welcher so hart gewesen, daß sich Leute von 70 Jahren eines solchen nicht entsinnen können, außer daß mein Vater in der Bibel folgendes geschrieben, Anno 1682 : ‘14 Martii bin ich, Gregor Lobner, mit einem Schlitten von der Weichsel gerade über See nach Heel gefahren, und da ich den 16. Martii wieder zurück kam, so ging die See entzwei, in diesem Winter Anno 1739 ist die See beständig gefroren, außer daß sie zweimal aufgebrochen, aber wieder zugefroren, da denn das Eis ein Panzer von 1/2 Elle, auch 1/3 Elle gewesen, und in der Wiek hinein auf 1 ½ Ellen (3 Fuß).’ Auch in diesem Jahrhundert konnte man wiederholt im Schlitten von Danzig nach Hela fahren, so im Jahre 1838 und im Jahre 1888 im Februar und 1889. Doch hat es in den beiden letzten Jahren meines Wissens niemand gewagt. Ein paar Südwestwinde genügen, um die Eisfläche aufzulösen in mächtige Schollen, und wieder hinauszuführen in die weite Ostsee.“
Im Frühjahr gewährt die See bei Hela oft einen prächtigen Anblick, wenn auf der blauen Fläche des Meeres die weißen Schollen treiben, die hell im Sonnenschein glänzen. Sobald der Eisgang der Weichsel eingetreten, so kommt bei Ostwind auch das Weichseleis bei Hela an und mit dem Eis auch Bretter und Überreste menschlicher Wohnungen, ja, auch Baumstämme. So liegt bei Hela am Außenstrande ein gewaltiger Pappelstamm, der mit dem Eisgang hier angeschwemmt wurde. Der Querschnitt desselben reicht über Mannsgröße hinauf und nur wenig braucht ein Erwachsener sich bücken, um in die Höhlung hineinzutreten.
Der frühe Lenz bringt zwar die Obstbäume rasch zum Blühen, aber die kalten Nordwinde lassen die Blüten nicht zum Ansetzen kommen. Meist fallen die Blüten ab und es gibt kein Obst. Doch der Helenser läßt sich seine Mühe nicht verdrießen, sogar zum Weinbau hat er sich aufgeschwungen. Überhaupt ist zu bewundern, wie der Helenser dem Sandboden etwas abzuringen versteht. Ziemlich reichlich betrieben auch befindet sich bei jedem Hause ein Gärtchen, in welchem ein paar Obstbäume erzogen sind, sowie Johannesbeersträucher und Stachelbeersträucher, und auch einige Blumen finden ihr kümmerliches Dasein. Auch Wiesen sind vorhanden, doch reicht der Ertrag nicht aus, um das wenige Vieh, welches in Hela gehalten wird, den Winter durch zu ernähren, es muß immer noch Heu zugekauft werden. Vor vielen Jahren wurden in Hela auch Schafe gehalten, welche im Walde sich ihre Nahrung suchen durften. Heute sind dieselben nicht mehr vorhanden. Seit der Wald im Jahre 1872 „fiskalisch" wurde, ist die Schafweide in demselben verboten. Der Wald, welcher jetzt fast die ganze Halbinsel durchzieht, nur einige Stellen ausgenommen, besteht meist aus Kiefern, zum Teil, zwischen Kußfeld und Heisternest, auch gemischt mit Laubholz. Dicht vor Heisternest befindet sich ein hellgrüner Laubwald, der Boden ist feucht, Farrenwedel verdecken die kleinen Sumpfkräuter. Linkerhand schimmert durch das Laubholz die Dünenkette, welche den Wald vor den Wogen der Ostsee schützt, und rechts läßt man durch die Lichtung den Blick über die Bucht schweifen, auf deren dunkelblauer F1äche einige Segel hell im Sonnenglanze blinken. Von Danziger Heisternest bis zur Spitze zieht sich in der ganzen Breite der Halbinsel ein Kiefernwald hin. Derselbe gehörte früher zu den Kämmereiforsten der Stadt Danzig, ist jetzt aber vom Staat übernommen. Er bedeckt eine F1äche von 1600 Hektar. Infolge des dürren Bodens wachsen die Kiefern auf der Halbinsel sehr langsam, dadurch ist das Holz aber auch härter und kerniger als drüben auf dem Festland. Leider droht den Bäumen ein gefährlicher Feind in Gestalt der Prozessionsraupe, welche in manchen Jahren verheerend auftritt. Die Forstverwaltung ist bemüht, auf verschiedene Arten sie zu vernichten, es ist aber leider aussichtslos, wenn nicht die Natur selbst durch ungünstige Witterung bei Entwicklung der Raupen unterstützend eingreift. Der Waldboden ist in seltsamer Zusammenstellung, mit Farrenwedeln, Heidekraut und der sonst in der Provinz seltenen Glockenheide (Erika), überwuchert, in ihrer Blütezeit im Hochsommer bietet sie einen herrlichen Anblick. Für die Fischer ist das Heidekraut von größtem Nutzen, da sie es als Räuchermaterial benutzen. Der Staat bemüht sich sehr, das Recht, Heidekraut aus dem Forst zu entnehmen, den Helaern abzulösen. Der Wald ist verhältnismäßig wenig belebt, Wild gibt es bis auf vereinzelt auftretende Hasen nicht, Singvögel halten sich wenig auf, andere Vögel sind auch nur vorübergehend auf der Halbinsel. Dagegen ist der Strand reich bevölkert mit Seevögeln aller Art, besonders mehrere Arten Möwen, die häufig geschossen werden oder in sogenannten Klipsen gefangen werden. Ihr sehr zarter Flaum wird als Bettfeder verwendet, auch das Fleisch wird gegessen. Im Herbst und Winter wird den wilden Enten eifrig nachgestellt, nicht bloß mit Flinten sondern auch mit sehr dünnen Netzen, welche dicht unter der Wasseroberfläche ausgespannt werden. Im Frühjahr kommen oft wilde Schwäne vorübergezogen und lassen sich bisweilen, um auszuruhen, auf der See nieder. Dann sieht es aus, als schwimmen noch schneebedeckte Eisschollen in der See. Wenn sie weiterfliegen, erheben sie einen ganz eigentümlichen Gesang, der in der Ferne wie Glockentöne klingt. Die Helenser stellen ihnen auch nach, verzehren ihr Fleisch und gebrauchen ihre Federn. Besondere Erwähnung verdienen noch die Seehunde, welche in großer Anzahl ihr räuberisches Unwesen treiben und dem Fischer sehr viel Schaden bereiten, indem sie nicht nur die ausgestellten Netze zerreißen, sondern auch die Fische daraus verzehren oder sich die schönen daraus wegholen. Sie haben ihre bestimmten Lieblingsplätze, auf denen sie sich gerne aufhalten. Sie besuchen gerne die sich quer durch die Putziger Wiek von Kußfeld nach Rewa hinüberziehende Sandbank. Auch aus dem Wasser hervorragende Steine sind von ihnen bevorzugt. So war bei Kußfeld ein großer Steinblock bei ihnen sehr beliebt, so daß derselbe zum Seehundfang verpachtet wurde. Im Winter auf den Eisschollen halten sie sich auf und heulen in ganz eigentümlichen Tönen, so daß es bisweilen wie Wehklagen und Hilferufe Verunglückter klingt.
Ich will nun aufhören mit der Schilderung von Hela, ich habe nur zu zeigen versucht, daß selbst eine so unbedeutende Sandscholle eine reiche Fülle Interessantes bieten kann dem, der ein offenes Auge und ein offenes Herz besitzt. Und wer mit beidem begabt ist und Hela zu einem längeren Aufenthalt besucht, der wird es auch gewiß für wahr befinden.
Ein Sang von Hela
Dichter unbekannt
An dich, Hela, klingen alte Sagen,
Aus der Tiefe tönt ein Lied mit Macht.
Sind es Stimmen aus vergangenen Tagen,
Die zur Menschheit heut' emporgetragen,
Kunde geben von versunk'ner Pracht?
Hat der Schiffer recht, der uns berichtet,
Was er sah bei hellem Mondenschein
Daß im Grund des Meeres aufgerichtet
Eine Stadt er schaute, glanzumdichtet
Herrlich prange hoch aus Marmorstein.
Schallen heute noch die Orgelklänge,
Die den Bürger rufen zum Gebet,
Schaut man heute noch die geputzte Menge
Wandeln durch die Straße dunkler Enge
Zu dem Marktplatz, wo der Roland steht?
Sagen sind es, nichts als alte Sagen,
Von den Schiffern an dem Strand erzählt,
Einsam wird der alte Leuchtturm ragen
In der See noch in den fernen Tagen,
Wenn die Dünen längst das Dorf verweht.
Und im Fichtenwalde wird es sprossen,
Wenn der Lenzwind aus dem Süden weht.
Auf dem Kirchhof, hart vom Meer umflossen
Werden sie gebettet, die Genossen
Und ein anderes Geschlecht entsteht.
Mit denselben Sorgen, mit den Freuden,
In demselben Kampf in Meer und Sturm,
Mit derselben Not und Winterleiden -
Einst nur auf der Insel trotzet beiden,
Und das ist der weiße hohe Turm.
Blonde, kräftig markige Gestalten,
Kennen im Gewerbe eine Pflicht,
Was dem Meere sie abgerungen,
Halten fest sie, und des Sturmes Gewalten,
Schrecken sie in ihrem Handwerk nicht.
Braust der Nord daher und Gischt die Wellen,
Wirft er fremdes Fahrzeug an den Strand,
Daß die Balken krachen und zerschellen,
Dann der Fischer Augen sich erhellen -
Gute Beute, bringt man sie an Land.
Still im Hüttchen sitzt das Weib am Rocken,
Und am Fenster grünt der Mürtenbaum
Und an dem Kamin die Alten hocken,
Sie erzählen, will die Arbeit stocken
Ihren Enkeln manchen Jugendtraum.
Wie sie einst in jungen Jahren,
Mit den mastenreichen Schiffen beladen schwer,
Von der Insel Hela sind gefahren,
Wie sie dann zurückgekommen waren
Und die Heimatstätte fanden leer.
Wie sie von den fremden schönen Ländern
Brachten seltenes Geschirr nach Haus',
Blau bemalt, Figuren auf den Rändern,
Das als Zierde nun auf hohen Ständern
In dem Häuschen steht, die Fahrt ist aus.
Wie erwartete am alten Brunnen,
Der in Dorfes Mitte einsam steht,
Oft die Maid beim Untergang der Sonne,
Wie sie in dem Kirchlein still in Wonne
Für den Liebsten Glück und Heil erfleht,
Hela, selten Stück im Deutschen Lande,
Meerumschlungen, weltvergessen Du.
Bleib' erhalten unserem Ostseestrande,
Träume fort auf deinem Dünensande,
Deinen Schiffertraum in süßer Ruh'!
Ausfahrt zum Fischfang
von Martin Struck
Heut' plätschern sanfte Wogen
Am sonnenhellen Strand.
Nun wird hinabgezogen
Das Boot vom weißen Sand.
Es fährt nach seiner Beute
Der Fischer eifrig aus
Und wünscht, er brächte heute
Recht guten Fang nach Haus.
Nun legt die Ruder in das Boot,
Hinein das Netz, die Manzen,
Die Flasche Kaffee und das Brot
Steckt in dem Leinenranzen,
Korb, Ölzeug - und dann stoßt vom Land!
Zum Fischefang wir fahren,
Droht auch die dunkle Wolkenwand,
Die kennen wir seit Jahren.
Da liegt vor uns die blaue Flut!
Kaum sich ein Lüftchen reget,
Solch ein Tag, der ist zum Fischen gut,
Wenn kaum die See sich reget.
Ein Schleier deckt das Küstenland,
So fuhren wir zu dreien.
Hoch schon die Sonn' am Himmel steht,
Hörst du die Möwen schreien.
Am Ufer steht die junge
Beherzte Fischersfrau,
Ihr Tuch mit frohem Schwunge
Weht in dem Winde lau.
Fahr wohl, du Guter, Lieber,
Daß Gott dich mir bewahret!
Komm' wohlbehalt hinüber
Und habe gute Fahrt!
Die schwielige Hand das Ruder hält,
Jetzt sind wir weit vom Strande.
Nun schnell die Netze ausgestellt
Und von des Bootes Rande
Rollt Netze und Leine in die See -
Es kann der Zug beginnen.
Was werden aus dem heutigen Fang
Wir dreien wohl gewinnen?
Zehn Schock sogar und noch viel mehr,
Recht große, gute Fische,
Die großen gebt zum Räuchern her,
Die kleinen nehmt zu Tische
Erst aus der Flasche einen Zug,
Ein bißchen Brot zu zweien,
Dann lasset in die tiefe Flut
Die Netze wieder gleiten.
Der Sturm, der hinter Hügeln
Vielleicht jetzt schlummernd ruht,
Mit deinen wilden Flügeln
Verschone heut' die Flut,
Nicht wandle du in Leiden
Ein Glück so reiner Art,
Gesegne Gott die Dreien
Dem Schifflein gute Fahrt!
Und stärker rauscht die Welle
Und wieder geht das Netz zum Grund
An einer passend Stelle.
Und als die Sonne langsam sinkt
Und auf der See wird's frischer
Der Strand schon und die Hütte winkt.
Nun kehren heim die Fischer,
Nun wird der ganze Fang sortiert
Geheizt wird die Kombüse
Und aufgereiht, ganz stolz, marschieren
Die Fische nun in diese.
Vom Heidekraut und Buchenholz
Das gibt ein richtiges Feuer.
Und aus dem Hauche kehrt sie stolz
Zurück und wird auch teuer,
Am nächsten Tag fährt in die Stadt
Mit ihrer guten Ware
Die Tochter, die am Fischmarkt hat
Den Stand schon viele Jahre.
Dort bietet sie die Fische feil,
Die schönen, braunen Flundern.
Und setzt auch ab den ganzen Teil,
Das "Wie" ist zu bewundern.
Wenn täglich gut der Fischfang geht,
Wie ich ihn hier beschrieben,
Dann ist gewiß im Herbste gut
Auch ein Gewinn geblieben.
Doch leider kehrt der Fischer heim
Gar oft mit leeren Händen,
Dann kehrt auch manchmal Not ihm ein,
Gott soll ihm Segen spenden!
-- ENDE DER CHRONIK --